■ Hamburgs Verfassungsrichter verordnen Neuwahlen
: Die Grenzen des Klüngels

In Hamburg hat das Verfassungsgericht die CDU der mangelnden innerparteilichen Demokratie überführt – Klüngelwirtschaft pur mochte das Gericht nicht durchgehen lassen. Ein Urteil, das Freude aufkommen läßt, stellt es doch erstmals die zu erstarrten Ritualen verkommenen Wahlparteitage nicht nur bei den Christdemokraten in Frage. Denn die CDU trieb es in Hamburg zwar besonders schlimm, das Urteil aber geht auch die anderen Parteien an. Eine offene Kandidatenwahl ist bei ihnen zur Fiktion verkommen. Sichtbar wird dieser Klüngel nur selten, nämlich immer dann, wenn die Absprachen nicht so funktionieren, wie von den Protagonisten ausgemauschelt wurde, und am Ende dann der „falsche“ Kandidat gewählt wird.

In Hamburg sind die „Richtigen“ gewählt worden, doch die Unterlegenen mochten sich nicht länger dieser Art Demokratieverständnis unterordnen und gingen vor Gericht. Das hat jetzt erstmals juristische Klüngel-Grenzen gesetzt. Das Urteil ist allerdings bahnbrechend: Nicht nur die Hamburger CDU muß parteiintern wählen, sondern alle HamburgerInnen dürfen noch in diesem Jahr eine neue Bürgerschaft bestimmen.

Endlich einmal ein Beitrag auf dieser Seite also, wo der Autor nicht herumnölen und weise Ratschläge an Parteien und/oder Gerichte verteilen muß. Für manche Hamburger Partei dagegen sieht die Sache betrüblich aus – nicht nur wegen der unangenehmen Aufforderung nach mehr innerparteilicher Demokratie. Die SPD steht ganz dumm da. Ausgerechnet mitten in die Katastrophen-Krise der Bundespartei kommen demnächst Landtagswahlen hereingeschneit – dabei hatte man sich so darauf verlassen, daß wenigsten in diesem Jahr kein Bürger für Schröderlafontaineschmidtscharping an die Urne robben muß. Die CDU-Kritiker, denen das Urteil recht gab, werden von ihrem Sieg nicht mehr viel haben: Viele von ihnen haben die Truppe inzwischen verlassen, um einen eigen Haufen zu gründen. Ausgerechnet die abgeurteilten Christdemokraten könnten damit aus dem Urteil Kapital schlagen. Beim derzeitigen Zustand der SPD ist sogar der Hamburger CDU ein Wahlerfolg zuzutrauen.

Und so ist uns schon wieder ein Kommentar vermiest. Das Urteil richtig, ein Hoch der Demokratie – doch die kurzfristigen Folgen tendenziell eher beschissen. Klaus Hillenbrand