USA und Rußland vor Atomtests

■ Pentagon drängt Clinton zu reduzierten Atomexplosionen

Genf (taz) – Die USA und Rußland werden möglicherweise noch in diesem Jahr wieder atomare Waffen testen und damit den seit Oktober 92 de facto bestehenden Teststopp beenden. Starke Kräfte in der US-Administration drängen darauf, Präsident Clintons Wahlkampfversprechen für einen umfassenden Teststopp zurückzunehmen. Die Entscheidung über eine eventuelle Wiederaufnahme der Tests soll bis spätestens zum 18.Mai fallen. Nach Auskunft russischer Diplomaten in Genf würde dann auch Präsident Jelzin die Durchführung von Tests noch in diesem Jahr anordnen. Eine solche Entwicklung hätte auf die am Montag in New York beginnenden Vorbereitungen einer Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrages erhebliche negative Auswirkungen.

In Washington sprach sich am Montag das Pentagon für eine Wiederaufnahme der Atombombentests aus. Vor dem Streitkräfteausschuß des Abgeordnetenhauses erklärte der für Atomwaffen zuständige Unterstaatssekretär John Deutsch, nur so ließe sich „die Wirksamkeit der nuklearen Abschreckung gewährleisten“. Im September 92 hatte der US-Kongreß ein neunmonatiges Testmoratorium verhängt und die Administration beauftragt, bis zum 1.Juli dieses Jahres ein Konzept zur endgültigen Einstellung aller Atomtests bis Ende 1996 vorzulegen. Bis dahin sollten maximal noch 15 Tests stattfinden. Rußland und auch Frankreich kündigten daraufhin ein Testmoratorium bis zum 1. Juli 93 an. Inzwischen verständigten sich jedoch das Pentagon, das für die Entwicklung von Atomwaffen zuständige US-Energieministerium, die drei Atomwaffenlabors und Teile des Außenministeriums auf ein Konzept, das eine Reduzierung künftiger Teststärken auf maximal eine Kilotonne (= 1.000 Tonnen TNT) vorsieht. Mit einer solchen Begrenzung wäre die in den USA begonnene Entwicklung von Mikro-Atomwaffen weiterhin möglich, eine Verifikation atomarer Tests mit den bislang bekannten Mitteln allerdings nicht mehr. Befürworter dieser Linie gehen davon aus, daß Rußland ein solches Konzept mitträgt. Russische Diplomaten in Genf erklärten, in diesem Falle würde auch Präsident Jelzin einem entsprechenden Drängen seiner Militärs nachgeben. Andreas Zumach