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Dissonanzen bis Arbeitskampf

■ Statt hire and fire wollen die Lehrbeauftragten für Musik ein Minimum an sozialer Sicherheit / Behörde schwört auf „Flexibilität“

Alles ging ordentlich zu und hatte eine Einleitung, einen Hauptteil und ein Finale, das harmonisch am Beginn anknüpfte und hieß: „Das machen wir nicht mehr mit. So nicht. Wir werden Arbeitskampf-Maßnahmen und alle Klagemöglichkeiten sondieren.“

Gekommen in die Uni waren am Donnerstag früh alle Interessengruppen, was zu einem erfreulich klaren Bild beitrug: Die, um die es ging: Lehrbeauftragte (LB) für Musik der Universität Bremen. Natürlich die Musik- Studierenden. Ein paar ProfesorInnen. Dazu PolitikerInnen aller Bürgerschafts-Parteien. Die ungeliebte Behörde. Auch die Gewerkschaft.

Der Lehrbeauftragte Utz Weißenfels hatte eingeladen und faßte zusammen: „Wir machen dieselbe Arbeit wie Hauptamtliche — für ein Drittel oder Viertel des Geldes. Wir haben keine Absicherung, keine Kranken-, Renten-, Arbeitslosenversicherung. (s. Kasten). Seit der letzten Senkung! der Vergütung vor 10 Jahren arbeiten wir für 28 Mark, jeder Oberschüler bekommt für Nachhilfe mehr. Die geplante Erhöhung auf 31,50 ist nicht mal der Inflationsausgleich. In Oldenburg und Hamburg geht das anders. Wir machen keine zusätzliche, sondern die fundamentale Arbeit im Studiengang. Wir sind nicht bereit, so weiterzumachen.“

Senatsrat Rainer Köttgen, versehen mit der undankbaren Aufgabe, die Behördenpolitik zu vertreten, hatte sich das Bremer Hochschulgesetz mitgebracht und fand: „Da kann die Behörde gar nichts anderes machen“, da drin sei nämlich durch Lehrbeauftrage auch die „Sicherstellung des Lehrangebots“ vorgesehen. Und überhaupt: Befristete Verträge, die nicht den Lebensunterhalt garantieren, gebe es überall — aber gerade das garantiere doch für die Ausbildung das stets aktuelle und flexibel reagierende Lehrangebot. Das dickste Argument: Wenn alle feste Stellen bekämen, könnte nur ein Viertel der jetzt unterrichtenden Leute eingestellt werden — für dasselbe Geld.

Unsinn, fand eine Studentin: Klavier und Gitarre braucht man immer, da schadet Flexibilität höchstens, wenn die Lehrenden alle paar Monate wechseln. Natürlich ließ Prof. Seibert von der Hochschule die Gelegenheit nicht ungenutzt, nochmal die von ihm ungeliebte, aber längst mit der Behörde vereinbarte Akademie für Alte Musik zu geißeln („6,5 Professorenstellen für ein paar Studenten!!“) und kam zu seinem Credo: „Bremens Ruf kommt nicht von Highlights, sondern von solider Grundausbildung.“ Der CDUler Jörg Kastendiek bekam auf seine Frage, wie denn Grundversorgung

Brauchen wir nächstes Semester wohl KlavierlehrerInnen?? Foto: Tristan Vankann

durch „Flexibilität“ erfüllt werden solle, keine rechte Antwort, war aber jedenfalls für „soziale Absicherung“. Der Grüne Hermann Kuhn wollte erstens nicht alle Lehrbeauftragten über einen Kamm scheren („Frau Scherf macht das hier nicht wegen sozialer Absicherung“) und bekannte zweitens: „Eine gute Lösung für den Bruch zwischen Hauptamtlichen und den völlig Ungesicherten haben wir überhaupt nicht gefunden. Wenn jetzt aber sämtliche 50 Lehrbeauftragten nach BAT praktisch unkündbar werden sollen — das will ich auch nicht. Die Schranke zwischen dem normalen Arbeitsmarkt und dem öffentlichen Dienst müßte eher niedriger werden!“ Denn: Je fester die Festen, desto weniger kommen dann noch rein.

Zur Verblüffung der Anwesenden präsentierte Christoph Hansen, Lehrbeauftragter in

Kopf auf Klavier

Hamburg und Bremen, den Arbeitsvertrag der Schwesterstadt, den dort alle LBs haben: befristet auf 4-6 Semester, durchbezahlt und sozialversichert: „Das hat Hamburg auch nicht freiwillig gemacht, und diese Rechtsansprüche werden wir hier geltend machen!“

Wenn 3 feste und 50 „Freie“ ausbilden, dazu schlecht bezahlt — das Wort „Mißverhältnis“ wollte schließlich auch Köttgen schließlich für berechtigt halten. Prof. Breckoff, der Lehrbeauftragte anwerben und halten soll, wußte: „Die lachen doch: Nach Bremen??“ Nur durch „hohe Moral“ werde die Ausbildung aufrecht erhalten, pro Semster würden inzwischen „480 Klein- Klecker-Verträge“ verteilt.

Daß es am Gelde fehlen würde, hatte man geahnt. „Also ich bin wirklich betroffen“, versicherte die SPD-Deputierte Berk, „aber wir können Ihrem

Wunsch nicht nachkommen“. Personalrat Matthias Hempe von der HFK zitierte das Bundes-Verfassungs-Gericht, das Lehraufträge nicht für „ständige Aufgaben“ dulden will; womöglich stehe das Bremer Gesetz bereits im Widerspruch dazu.

Kuhn kündigte eine Überprüfung der Hamburger Verträge für Bremer Verhältnisse an. Unter dem Strich machte Rainer Köttgen wenig Hoffnung: „Wir werden diese besonderen Rechts-Verhältnisse in Bremen nicht isoliert ändern.“ Und fürs Sanierungsprogramm wirkten Musiklehrernicht eben wirtschaftskräftigend. Was zum Anfang zurückführte: Utz Weißenfeld: „Wenn die Behörde so wenig „flexibel“ reagiert, werden wir Ende Mai Arbeitskampf- Maßnahmen beginnen, sämtliche Klage-Möglichkeiten beschreiten und uns um das BVG- Urteil kümmern.“ espe

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