Durchs Dröhnland
: Scheppert und dröhnt und wackelt

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte

Das ist schon lange nicht mehr Folk, was Suzanne Vega da macht. Dazu braucht sie gar nicht mal einen flotten Dance-Beat, wie bei der DNA-Version von „Tom's Diner“ geschehen. Ohne jede Aufregung in der Stimme, ohne jedes Bumm-Paff im Rhythmus sind ihre Songs sogar tanzbar, auch und gerade wenn sie mit Kinderklängen oder einer Folk- Fiddel angereichert werden. Um zur zweiten Joan Baez zu werden, fehlt ihr der Drang, politische Texte schreiben zu wollen. Und weil sie das bewußt nicht tut, gelingen ihr die kleinen, schönen Zeilen, die das Menschsein treffender beschreiben: „Blood makes noise, it's ringing in my ear.“ Auf ihrer letzten Platte hat sie sich noch mehr von ihren beiden Kumpels von They Might Be Giants inspirieren lassen: kleine, süß verspielte Liedchen, wenn auch mit wesentlich weniger Kanten.

Am 21.5. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108–114, Kreuzberg

Was macht der Rest, wenn er vom Boß im Stich gelassen wird? Er macht halt weiter. So geschehen mit Stan Red Fox, die es nicht mehr gibt, weil das multiple Talent Lars Rudolph dieses sein Vehikel zu den Akten legte. Die beiden Übriggebliebenen nahmen sich diesmal einen echten Bassisten und entwickelten sich weg von der Beschallung des Rudolphschen Ego-Trips hin zur kompakten Band. Und Überraschung: X.I.D. spielen plötzlich einen satten Metal mit Hardcore- Brechungen. Der Fox-Funk blitzt natürlich trotzdem auf, souverän integriert und an manches erinnernd, das mittlerweile als Mainstream fungiert. Das Experiment hat sie aber auch noch nicht vollständig verlassen, da piept und schlürft es dann, gurgelt und countryundwestert es. Songs wie von fünf verschiedenen Bands.

Am 21.5. um 24 Uhr im Ex & Pop, Mansteinstr.14, Schöneberg

Deutschlands Punkrocker bleiben sich entweder zu sehr oder gar nicht treu. Die Ausnahme von der Regel ist hier Abwärts, die das, was sie spielen, inzwischen selbst „Rockmusik“ nennen, recht damit haben und sich trotzdem nicht zu schämen brauchen. Die Texte von Frank Z. gehörten schon immer zu den besseren, auch wenn sie im Zeitalter des deutschen Assoziativreims manchmal etwas antiquiert wirken. Doch von Zeilen wie diesen können sich selbst Huah! noch was abgucken: „Und sicher noch diese Woche kaufe ich mir einen Hund/ Der moderiert dann die Sendung ,Das Leben ist bunt‘/ Und zwischendurch erzähl' ich Witze, mit denen ich euch erbau/ Zum Beispiel den von dem Huhn, dem Mann und der Frau.“ Was Herrn Z. natürlich nicht davon abhält, das allgemein Beklagenswerte noch mal zu beklagen und dabei etwas moralinsauer zu werden. Doch der gute Wille zählt, und vielleicht entwickeln sich Abwärts ja tatsächlich zur liebenswerten Alternative zu den Lages und Maahns dieser Republik.

Am 22.5. um 22 Uhr im SO36, Oranienstr.190, Kreuzberg

So geht das in der Metallbranche: Einen einzigen Demo-Song eingeschickt und schon den Electrola-Hauptgewinn gezogen. Da kann man sich leicht ausmalen, was Axxis nun übers Major-Label vertreiben. Satten Heavy mit Mitgröhlrefrains in hübsch föngewellter Durchschnittlichkeit inklusive Eunuchengekreische. Die fünf Mannen stammen aus dem Ruhrgebiet, nehmen auf in den USA und sind auch sonst bereit, demnächst Stadien zu füllen.

Am 25.5. mit Gorky Park in Huxley's Neuer Welt

Einfach nur soviel: Wynton Marsalis' neueste Doppel-CD „Citi Movement“ ist schlicht klasse. Geschrieben hat er sie für eine Tanz-Inszenierung und deshalb von vorne nach hinten richtig durchkomponiert. Ist aber trotzdem Jazz, auch wenn die symphonische Struktur den Anschein von Improvisation bisweilen niederdrückt. Ist aber natürlich trotzdem wundervoll. Und nicht nur seine Trompete. Kommt auf Tour ebenfalls im Septett zur Aufführung.

Am 25.5. um 20 Uhr in der Philharmonie, Matthäikirchplatz, Schöneberg

Denkt man an Ska, denkt man an zu klein geratene Hüte über Sonnenbrillen Extra-Dark, an Two-Tone, an Humbta-Humbta, an gnadenlosen Historismus. Genau damit haben The Mighty Mighty Bosstones nun gar nichts am Hütchen. Sie selbst nennen ihren Lärm „Ska-Core“, tragen Baseballmützen über den Sonnenbrillen und sind eben nicht mit den Maytals oder Laurel Aitken aufgewachsen. Sie wenden den alles heilenden Off-Beat auf ihre eigenen Kindheitseinflüsse an, und die sind auf der neuesten EP fein säuberlich notiert: Neben den Punklegenden Angry Samoans, SSDecontrol und Minor Threat (aus denen Fugazi hervorgingen) findet sich zwar auch Bob Marley, aber der wird durch die zerfetzt tönenden Stimmbänder von Dicky Barrett gründlich aufgerauht. Früher schon haben die Bosstones bewiesen, daß sie keine Berührungsängste kennen, und Metallica, Aerosmith und Van Halen gecovert. Die selbstgeschaffene Schublade Ska-Core könnte kaum zutreffender sein, scheppert und dröhnt und wackelt der Off-Beat bei den Bosstones doch so herzerfrischend durchgeknallt, obwohl alle klassischen Ingredenzien wie zackige Bläser, Männer-Background und flottes Tempo vorhanden sind. Ausgerechnet im Ska, der seit den Two-Tone-Tagen, als die Specials, Madness und andere das Altertum neu erfanden, der Hort des Konservatismus darstellte, räumen die Bosstones jedes erdenkliche Klischee beiseite und verabreichen dem Genre seine längst fällige Frischzellenkur. Nun ist der Ska zwar noch nicht völlig auf der Höhe der Zeit, vier, fünf Jährchen fehlen da zwar noch, aber das wäre für eine einzelne Band allein dann doch eine zu große Aufgabe gewesen.

Am 26.5. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg

Erst kürzlich wurden in dieser Zeitung reichlich Worte verloren über das neueste Werk von PJ Harvey. Polly hat nicht nur den Blues, ist mithin mehr als nur ein weiblicher Nick Cave, Polly trinkt nicht nur Whiskey, Polly trinkt Blut. Nicht der Wechsel zur Industrie, nicht mal die Produktion von Steve „Ich misch die Gitarren jetzt mal entschieden lauter“ Albini haben sie davon abbringen können, die geschundene Seele zu rächen, die kränkesten Phantasien auszuleben und Patti Smith wie eine blondgelockte Folkbardin aussehen zu lassen. Das Leben kann niemals so hart sein, wie es sich in den Texten von Miss Harvey darstellt und in ihren Melodien anhört. Solche Stilisierung nennt man dann wohl Kunst.

Am 27.5. um 20.30 Uhr im Loft Thomas Winkler