Christian Specht und die taz: Oh Mitternacht, oh Sonnenschein

Christian Specht liebt die Freiheit und kämpft für das Gute. Früher mit der Holzkamera, heute mit seinen Bildern.

Christian Specht beim taz.lab 2015. Bild: Wolfgang Borrs

Wenn Christian Specht in sein Büro bittet, steht Arbeit an: Entweder muss ein Flugblatt, eine Petition, ein offener Brief oder eine Anfrage an den Berliner Senat für ihn geschrieben werden, sein Status auf Facebook aktualisiert oder ein Gespräch über künftige Radio, Zeitungs- und Behindertenprojekte geführt werden.

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Das Büro von Specht ist im Konferenzraum der taz. Meistens kommt er gegen 10 Uhr an seinen Arbeitsplatz, wenn die Redakteure gerade in der Morgenkonferenz sitzen. Specht betritt dann mit einem lauten „Schönen guten Morgen“ den Raum und bahnt sich einen Weg durch die vielen Leute an seinen Schreibtisch.

Versteigerungsobjekte

Wenn die Konferenz vorbei ist, holt er Papier und Stifte aus seinen Schubladen, schaltet sein Radio an und beginnt, leise summend, große, bunte Bilder zu malen. Einige seiner Werke wurden bereits versteigert, auf dem taz.lab im Haus der Kulturen der Welt. Viele Kollegen haben echte Spechts zu Hause an den Wänden hängen.

Seine Miniaturen veröffentlicht er auch in der taz, wo ihm eine eigene Rubrik gehört: „Specht der Woche“. Das, was er zu seinem Bild zu sagen hat, diktiert er dann einem Redakteur, denn der Maler kann nur sehr schlecht schreiben. Das behauptet er jedenfalls. Es gibt aber auch die Meinung, dass er dafür einfach zu faul ist. Die Wahrheit wird sein, dass er nicht gerne alleine ist und auch nicht gerne alleine arbeitet und deswegen jede Gelegenheit nutzt, das mit anderen Leuten zusammen zu tun.

Einige Galeristen, die Kunst von Behinderten ausstellen, haben schon mehrfach angefragt, wollen unbedingt eine Werkschau Spechts organisieren. Aber so wie es sich für einen Künstler gehört, ist auch Christian Specht eine Diva. Er will genau wissen, wer warum seine Werke ausstellen möchte, und bittet immer zunächst um ein Kennenlerngespräch und einen Vorortbesuch.

Polizeieinsätze gefilmt

Früher mal war Christian Specht linker Aktivist und Provokateur. Es gibt sogar einen wunderschönen Film über ihn: „Oh Mitternacht, oh Sonnenschein“. Darin sieht man, dass er schon immer ein Kunstfaible hatte. So filmte er mit einer Kamera aus Holz Polizeieinsätze auf linken Demos und führte bei diesen Gelegenheiten mit einem Holzmikro Interviews.

Bei seiner Geburt habe er zu wenig Sauerstoff bekommen, erzählt er. Aber in einer Behinderten-WG zu wohnen oder in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung zu arbeiten, das kam für ihn nie infrage. Er lebt bei seiner über 90-jährigen Oma. Christian Specht findet es zwar sehr richtig, dass es diese Einrichtungen gibt, aber für ihn ist das eben nichts. Vor allem, weil man da immer pünktlich sein muss. Christian Specht kommt und geht aber lieber, wann er will.

Liebevoll-nervige Art

So zwingt er auf seine liebevoll-nervige Art seine Mitmenschen dazu, ihn in ihren Alltag zu integrieren. Und das ist für alle, die mit ihm zu tun haben, ein großes Glück. Denn es gibt wohl kaum jemanden, der ein größeres Herz für Menschen und eine große Tasse heißer Schokolade mit doppelt Sahne hat.

DORIS AKRAP Seit 2008 bei der taz, seit 2013 taz.am wochenende. Sie koordiniert die Radiosendung y und ist Moderatorin der antirassistischen Leseshow „Hate Poetry”.