piwik no script img

Elektronischer Schlüssel soll Festung Europa sichern

■ Einheimischen öffnen sich die Grenzen durch Abgleich von Fingerabdruck

Berlin (taz) – Schöne neue Welt: Weil so viele Ausländer und Ausländerinnen über die Flughäfen nach Europa einreisen, will Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) die Grenzkontrollen wenigstens teilweise automatisieren lassen. Die Pläne aus seinem Ministerium und aus der nachgeordneten Koblenzer Grenzschutzdirektion sehen vor, an Flughäfen elektronische Abfertigungsschalter einzurichten, die BürgerInnen aus den EG-Staaten ohne Wartezeiten passieren können, wenn sie zuvor ihre biometrischen Daten – das heißt einen Fingerabdruck oder die Physiognomie ihrer Handfläche – beim Bundesgrenzschutz speichern lassen. Für eine spätere, zweite Phase wird daran gedacht, auch Reisende aus Drittstaaten einzubeziehen, allerdings nur, wenn sie aus Ländern „mit keinem oder nur geringem Einwanderungsrisiko“ stammen. Bereits Anfang nächsten Jahres wird ein zwischen drei und sechs Monaten dauernder Probebetrieb einer automatischen Grenzkontrollstelle auf dem Frankfurter Großflughafen anlaufen.

Zur Begründung heißt es in Unterlagen der Grenzschutzdirektion, daß mit Inkrafttreten des „Schengener Durchführungsübereinkommens“ sich die EG-Staaten auf einheitliche Grenzkontrollen verständigt haben. Diese führten zu einem erheblichen Mehraufwand an Kontrolle und zu einem Ansteigen der Abfertigungszeiten. Während Einreisende aus Nicht-EG-Staaten sich künftig auf peinlich genaue Überprüfungen ihrer Pässe und Visa einstellen müssen, dürfen sich Westeuropäer „freiwillig“ zur Vermeidung von Wartezeiten einer Prozedur unterwerfen, die einer erkennungsdienstlichen Behandlung gleichkommt. Bekannt wurden die Pläne erst, als der scheidende Datenschutzbeauftragte des Bundestages, Alfred Einwag, die fehlende Einbindung der Parlamente in das Vorhaben beanstandete. Er sprach von einem „teilweisen Einstieg in eine völlig neue Kontrollpraxis“.

Die überraschten Bundestagsabgeordneten reagierten reichlich sauer, als sie aus dem Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten von dem Frankfurter Feldversuch erfuhren. FDP- Mann Wolfgang Lüder erklärte, die vom Bundestag abgelehnten allgemeinen Personenkennziffern seien im Vergleich zur jetzt geplanten Grenzkontrolldatei mit biometrischen Daten „ein harmloses Papier von der Qualität einer handgeschriebenen Karteikarte“. Die PDS-Abgeordnete prophezeite, an den Außengrenzen der EG werde künftig „das System der Apartheid made in Schengen“ zu studieren sein. Die Abgeordnete von Bündnis 90/ Grüne, Ingrid Köppe, sieht in Seiters' bisheriger Weigerung, die Abgeordneten zu unterrichten, einen weiteren Beleg für das „Demokratiedefizit“, das im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Schengener Abkommens herrsche. Tagesthema Seite 3

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen