piwik no script img

Dünne Wände oder: Wenn im Theater der Punk abgeht

■ Bremer Bands und Junges Theater ringen um friedliche Koexistenz

„Hier spielt das Leben“, heißt es verheißungsvoll im Werbe-Faltblatt des Jungen Theaters. Aber auch die Musik spielt dort. Und das gibt Krach: Was aus den unterirdischen Übungskellern in der Friesenstraße, in denen Bremer Bands seit 1989 proben, auf die angrenzende Bühne dringt, stört die Theaterleute und ihr Publikum. Eine bessere Schall-Isolierung sollte beiden Parteien helfen — aber an der wird immer noch gewerkelt: Wer nämlich soll's zahlen? Und wer soll schlichten, nachdem die Parteien restlos verkracht scheinen? Falls nicht bald ein Kompromiß gefunden wird, droht den Musikern der Rauswurf — eine Kündigung liegt schon auf dem Tisch.

Freitagabend im Theater, im Stück „Der Disney Killer“ hat Disney gerade seinen großen Auftritt. Andächtige Spannung und Stille im Publikum wie auf der Bühne. Wären da nicht diese genialen Gitarren-Riffs, die leise, aber unüberhörbar durch die Hallen klingen. „Es ist eindeutig zu laut, zumindest fürs Theaterspielen“, sagt Carsten Werner vom Jungen Theater.

Davon hätten die Theaterleute nichts geahnt, als sie im Februar in ihr Haus in der Friesenstraße zogen — sagt Werner. Bekannt sei ihnen lediglich gewesen, daß drei Bands in direkter Nachbarschaft probten, zur Untermiete beim Spediteur Dullien. Aber der gibt inzwischen acht Gruppen Raum in seinen Lagern. „Von mindestens sechs Bands hat das Theater gewußt“, behauptet Hartmut Dullien. Das sei auch der Vermieterin bekannt gewesen. Zudem sei dieser Abschnitt der Friesenstraße Gewerbegebiet. Vorstellungen von „romantischer Ruhe“ ließen sich da nun mal nicht einlösen.

Grabesstill brauchen es auch die Theaterleute nicht unbedingt. Die bisherigen Isolierungs-Maßnahmen in den Übungsräumen aber reichen ihnen nicht aus. „Zunehmend genervt“ müßten die Schaupieler ihre Kunst üben; als es während einer Aufführung von „Schönheit irritiert“ im Frühjahr mal besonders rockig wurde im Theater, da brannte einem der Schauspieler die Sicherung durch, und er schraubte selbige raus und legte so die Musik kurzfristig lahm.

Dennoch beteuert Werner, weiterhin an einem „konfliktfreien Nebeneinander von Musikern und Theater“ interessiert zu sein. Auch die gemeinsame Vermieterin soll nach Auskunft ihres Anwalts nichts gegen die Musiker haben. Die Schauspieler freilich klagen: „Wir haben ein Theater gemietet, das nicht als Theater benutzbar ist“. Und die Vermieterin gibt den Druck nun weiter: Sie hat Dullien einen Teil der Räume gekündigt, und damit auch den Musikern. Jetzt droht die Räumungsklage.

Die Musiker aber fordern jetzt ein klares Wort von der Vermieterin: Sie soll, zumindest anteilig, eine weitere Trennwand im Theater genehmigen und bezahlen. Dullien will dafür nach eigenen Angaben auf einen Zuschuß der Vermieterin für neue Toilettenräume verzichten. 3.000 Mark sollen so für die neuerliche Schallisolierung frei werden. Für Dullien eine Geste, die beweise, „daß wir kooperationswillig sind“. Während der Theaterferien kännte die Wand problemlos eingebaut werden. Die Antwort läßt auf sich warten. tom

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen