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Militärschutz für Bosnien-Hilfe verlangt

Bündnis 90/Die Grünen fordern nach USA-Reise eine Erweiterung des UN-Mandats / American Jewish Congress: „Analogie zum Holocaust eindeutig gegeben“  ■ Aus Bremen Birgit Rambalski

Der Völkermord an den Muslimen in Bosnien zeigt eindeutig Analogien zum Holocaust. Die Staatengemeinschaft habe eine tiefe moralische Verpflichtung, nicht wieder wegzuschauen wie in den dreißiger Jahren. Dies betonte Henry Siegman, der Direktor des American Jewish Congress (AJC) und Überlebender des Holocaust, gegenüber Delegierten von Bündnis 90/Die Grünen. Gerd Poppe (außenpolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen) und Marieluise Beck (Grüne Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft) waren in die USA gereist, um mit Vertretern von Administration, Senat und Repräsentantenhaus über ein stärkeres Engagement der UNO in Bosnien zu sprechen.

„In den Gesprächen wurde sehr deutlich“, so Marieluise Beck, „daß die amerikanische Administration entschieden hat, den Staat Bosnien-Herzegowina aufzugeben.“ Die US-Regierung erkläre den Balkan-Krieg zu einem rein europäischen Problem. Sie setze wie die UNO-Vertreter einzig auf humanitäre Hilfe, ohne jedoch Vorstellungen zu entwickeln, wie die abgesichert werden kann.

Beck: „Die humanitäre Hilfe in ihrer jetzigen Organisationsform ist am Ende.“ Von 2.000 Tonnen Hilfsgütern, so wurde der Delegation in den USA bestätigt, erreichen lediglich 180 Tonnen ihr Ziel in Sarajevo. Der weitaus größte Teil gehe „verloren“, werde unterwegs „abgeladen“, damit die Transporte überhaupt weiterkommen. „Tschetniks und bosnische Kroaten bedienen sich aus der humanitären Hilfe, die damit der serbischen Kriegführung dient“, erklärte Marieluise Beck, die erst im Juni mit einer Delegation in Bosnien war.

Bündnis 90/Die Grünen wiederholten deshalb auch in den USA ihre Forderung, das Mandat von UNPROFOR zu erweitern, um die seit Monaten unterbrochene humanitäre Hilfe in Zentralbosnien sicherzustellen. Gleichzeitig müßten die UNO-Truppen aufgestockt werden. „Ohne militärischen Schutz ist das Ende des bosnischen Volkes besiegelt“, betonen Poppe und Beck. Die UNO- Laster müßten das Recht erhalten, notfalls von Panzern gesichert durchzufahren. Dies bedeute eine Erweiterung des UNO-Mandats von peacekeeping hin zu peacemaking.

Bündnis 90/Die Grünen fordern in diesem Sinne auch (nach Kapitel 7 der UNO-Charta), durch „geeignete militärische Maßnahmen“ endlich eine Gleichheit der Konfliktbeteiligten sicherzustellen und die schweren Waffen der serbischen Tschetniks und der kroatischen HVO zu vernichten. Faktische Waffengleichheit auf niedrigerem Niveau böte den Bosniern am ehesten Möglichkeiten zur Selbstverteidigung.

Der American Jewish Congress legte Beck und Poppe nahe, eine internationale Delegation europäischer Parlamentarier zu einer weiteren USA-Reise zu motivieren, die er dann massiv unterstützen will. Der AJC werde „alles in seiner Macht stehende“ tun, um auf die amerikanische Politik Druck auszuüben, gemeinsam mit Europa und der UNO den Schutz der Bosnier zu übernehmen.

Dem Parteivorstand von Bündnis 90/Die Grünen geht die Reise nach Washington allerdings zu weit: Bis Oktober, so Ludger Volmer, habe die Bundestagsgruppe dem Bundesvorstand zugesichert, nichts zu unternehmen, was die Diskussion „weiter in Richtung Militärintervention zuspitzt“. Die Teilnahme an der Aktion in Washington verstoße gegen diese Zusage. Schließlich habe der Länderrat eine Intervention ausdrücklich abgelehnt und sich auf einen Antrag verständigt, der die humanitäre Hilfe für die bosnische Bevölkerung sichern soll.

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