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Verwertung, nicht Verbrennung

■ Klöckner: Kunststoff in den Hochofen / Hütte stellt ihr neues Projekt vor

Aus Klöckners Schornsteinen qualmen künftig auch PlastiktütenFoto: Tristan Vankann

Horstmar Mohnkern ist in seinem Element. Der Hochofen- Chef der Bremer Klöckner- Hütte zeigt auf ein circa 1,5 Zoll dickes Rohr, das von einem Silo direkt in den Hochofen der Hütte führt. „Wir sind einspritzbereit“, sagt er. Über ein Guckrohr in den Hochofen sieht man zwei sogenannte Blaslanzen, aus denen mit drei Bar Druck Schweröl in den Hochofen geschossen wird. Wenn das Gewerbeaufsichtsamt und die Umweltbehörde mitspielen, soll aus einer der beiden Blaslanzen Mitte nächsten Monats schon feines Kunststoffgra

nulat eingeschossen werden.

Klöckner ließ sich gestern kontrolliert in den Ofen gucken. Die Veröffentlichung über ein neues Verfahren, Kunststoffabfälle in der Hütte als Reduktionsmittel bei der Gewinnung von Roheisen zu verwerten, hat den Vorstand in die Offensive getrieben. Die Idee ist einfach: Für jede Tonne Roheisen, die aus Eisenerz gewonnen wird, braucht der Bremer Hochofen 360 Kilogramm Koks und 100 Kilo Schweröl, um dem sauerstoffhaltigen Erz den Sauerstoff zu entziehen. Das Schweröl soll jetzt anteilmäßig ersetzt werden durch Kunststoff. „Denn Kunststoff ist Erdöl“, sagt Klöckner-Sprecher Dr. Günter Ziegenbalg. In einer ersten Stufe sollen zunächst ein bis zwei Tonnen Kunststoffgranulat pro Stunde eingeblasen werden, später das zehn- bis zwanzigfache. Als „Futter“ dient kleingeschredderter Kunsstoffabfall, u.a. vom Dualen System. Maximal, so hieß es gestern, sollen 30 Prozent des Schweröls vom Kunststoff ersetzt werden.

Dort, wo das Kunststoffgranulat eingeblasen werden soll, ist der Hochofen etwa 1.250 Grad heiß. „Durch die hohe Temperatur werden die Kunststoffe schlagartig vergast“, erklärt Klöckner-Vorstandsmitglied Hans-Ulrich Lindenberg. Die Kunststoffe „zerfallen“ in Kohlen- und Wasserstoff. Das Verfahren, so räumt Klöckner ein, setzt einen Mindestreinheitsgrad der Kunststoffe voraus. Lauernde Gefahren: PVC, Chlor, Schwermetalle, Dioxine, Furane.

„Es wird uns nicht gelingen, Dioxine ganz auszuschließen“, sagt Dr. Manfred Chitil, Projektleiter bei Klöckner, „allerdings werden wir kein Entsorger für PVC werden.“ Während der ersten Stufe werden die Schadstoff

ausstöße von einem externen Prüfer gemessen werden. Geprüft wird das Hochofengas, die Abwasser, die Schlacke, der Staub, „einfach alles“, sagt Chitil: „Das ist wie Hosenträger, Gürtel und Heftzwecke.“ Außerdem würden die Kunststoffe, die von den Lieferanten angeliefert werden, ständig kontrolliert. Klöckners Standpunkt: Der Versuch muß zeigen, ob unter der Verwendung von Kunststoff gegebenenfalls mehr Dioxine u.ä. freigesetzt würden als bei der Reduktion durch Schweröl. Über Geld und Mengen wollte Klöckner gestern nur soviel verraten: Derzeit verschluckt der Bremer Hochofen 30 Tonnen Schweröl pro Stunde, das sind rund 720 Tonnen pro Tag. Eine Tonne Schweröl kostet die Hütte 150 Mark.

Ob damit das Prinzip des Dualen Systems unterlaufen wird, läßt die Klöckneraner kalt. „Wir nehmen die Welt, wie sie ist“, erklärt Ziegenbalg dazu. „Die, die weinen werden, sind eher die, die

bislang Verfahren zur Verflüssigung von Kunststoff entwickelt haben, um ihn dann wiederzuverwerten. Wir lassen diesen Schritt einfach aus.“

Dreh- und Angelpunkt für die Genehmigung des Verfahrens ist die Frage: Ist das Verfahren eine stoffliche Verwertung oder nicht? Laut Klöckner wird der Kunststoff hier zu über 50 Prozent stofflich verwertet. Als Türöffner bei den Bremer Behörden dient der Hütte eine Einschätzung der Landesregierung Nordrhein- Westfalens: Die hat bereits öffentlich auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Landtag zu Düsseldorf am 18.5.1992 vermeldet: „Die Landesregierung hat aus ökologischer Sicht gegen den Einsatz von aufbereiteten Kunststoffmaterialien als Reduktionsmittel in Hochöfen keine Bedenken, sofern (...) nicht mit erhöhten Emissionen beim Hochofenbetrieb zu rechnen ist.“ Genau das will Klöckner jetzt ausprobieren. mad

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