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■ Der Weltmeister im Anhalter-Mitnehmen gibt nicht aufMit Butterkeksen auf Tramperjagd

Mannheim (taz) – Vorsicht beim Trampen! Die Kriminalpolizei hat zwar ihre alljährlichen Warnungen eingestellt, doch auf deutschen Beifahrersitzen ist es keineswegs sicherer geworden, im Gegenteil: Auf den Raststätten und Autobahnen ist geradezu ein rechtsfreier Raum entstanden, in dem jeder Spaßvogel ungehindert seine Spielchen treiben darf.

Besonders im süddeutschen Raum häufen sich die Schreckensmeldungen. Dort ist die Jagd auf Tramper zum Sport geworden. Der Weltmeister in dieser skurrilen Disziplin ist Dieter Wesch in Mannheim. Er wurde dafür sogar mit Eintragungen im Guinness- Buch der Rekorde und im Lexikon der Superlative belohnt.

Nach 17 Jahren verzweifelter Tramperjagd hat Dieter nun exakt 8.905 Fahrgäste aufgesammelt und von jedem eine Eintragung in eines seiner 24 Gästebücher erheischt. Aber das ist ihm noch lange nicht genug. Trotz allgemeiner Flaute auf dem Anhaltermarkt läßt der ehrgeizige Sammler nicht locker. „Bei 11.751 Trampern will ich aufhören“, verkündet Dieter entschlossen. Der Grund: Der gute Mann wurde am 11. Juli 1951 geboren. Mit den Anforderungen eines solchen Geburtsdatums fertig zu werden, ist offenbar nicht leicht. Wäre Dieter drei Tage früher geschlüpft, so könnte er jetzt längst ein geruhsames Leben führen. Doch statt dessen muß er nach eigener Schätzung noch sechs bis sieben Jahre weiterjagen. Und das erfordert immer neue Ideen. Denn der gemeine Tramper anno 1993 steigt längst nicht mehr in jede Blechkiste ein, die vor seinem ausgestreckten Daumen hält. Das weiß auch Dieter Wesch, und deshalb läßt er sich stets neue Marketingstrategien einfallen.

Wer das Pech hat, als ein 250er oder 500er Tramper in Dieters Wagen zu steigen, muß zum Beispiel für den Rest seiner Reise im dicken Guinness-Buch der Rekorde blättern. Wenn der Autostopper Glück hat, ist Dieter gnädig und überreicht ihm ein mit Kreide beschriftbares Tramperschild aus Plastik. Das erspart das häufige Suchen nach einer geeigneten Pappe und ist deshalb nicht ganz unnütz. Seit kurzem versucht es Dieter auch mit kulinarischen Neckereien. In Anlehnung an die Werbung heißt sein neuester Slogan: „Mit Leibnitz unterwegs“. Für die Tramper ist dies kein Scherz mehr, sie mutieren zu Krümelmonstern, denn sie müssen bei Dieter nun unentwegt Butterkekse futtern. Die Leibnitz-Kekse kosten den Herrn Weltmeister zwar eine Stange Geld, aber er gibt dies nicht ohne Hintergedanken aus. Dieter hofft nämlich darauf, daß die Werbeindustrie auf ihn aufmerksam wird und seine Sammelleidenschaft finanziert. Bislang hatte er jedoch keinen Erfolg. Geld aber könnte der eher schlecht verdienende Chemielaborant wirklich gut gebrauchen. Denn das Hobby ist nicht gerade billig. Seine Tramperjagd-Touren auf den süddeutschen Autobahnen jedes Wochenende kosten ihn 300 bis 400 Mark im Monat. Um das zu finanzieren und außerdem den Trampern und der Firma Bahlsen einen Gefallen zu tun, geht Dieter nebenbei noch putzen. Rainer Kreuzer

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