Mulit-Kulti-Radio kann auf Sendung gehen

■ Der SFB wird ab Mitte 1994 eine ganze Hörfunkwelle für EinwanderInnen einrichten / Medienanstalt wird voraussichtlich im Februar Frequenz beschließen

Berlin bekommt das erste öffentlich-rechtliche Multi-Kulti-Radio der Bundesrepublik: Der Sender Freies Berlin (SFB) wird ab Mitte 1994 eine ganze Hörfunk- Welle für EinwandererInnen – zum Teil in deren Muttersprachen – einrichten. Das hat zu Wochenbeginn der Rundfunkrat des Senders beschlossen. Über die Vergabe einer Frequenz, die dafür bereits „reserviert“ ist, wird die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) voraussichtlich am 14. Februar beschließen. Das Programm mit einem geschätzten jährlichen Etat von fünf Millionen Mark wird von der MABB zunächst einmalig mit zwei Millionen Mark bezuschußt. – Zwei Millionen jährlich über einen Zeitraum von drei Jahren, wie vom Sender Freies Berlin gewünscht, sind laut MABB aus „haushaltstechnischen Gründen“ nicht drin.

Das Geld stammt aus Überschüssen der Medienanstalt, die laut Paragraph 45 des Medienstaatsvertrags zwischen Berlin und Brandenburg für „Minderheitenprogramme“ vorgesehen sind. Für das Multi-Kulti-Radio sollen die vom SFB auf die Mittelwelle abgeschobenen muttersprachlichen „Ausländerprogramme“ wieder auf UKW kommen; daneben will der SFB auch mit dem Haus der Kulturen der Welt, anderen ARD- Anstalten sowie der BBC kooperieren.

Mit der Entscheidung für die Multi-Kulti-Welle geht eine seit zwei Jahren andauernde Diskussion um das Einwanderer-Radio zu Ende. Von Immigrantengruppen, der Alternativen Liste (AL) und der Ausländerbeauftragten Barbara John vehement gefordert, scheiterte das Projekt lange am Widerstand der Christdemokraten. Auch der SFB konnte der Idee nicht nur wegen der zusätzlichen Kosten zunächst kaum etwas abgewinnen – die Konzeptarbeit kam und kommt nur äußerst schleppend voran.

Ein „Mischmodell“ der AL und einer Gruppe von Immigranten- Journalisten („Multimedia e.V.“) hatte wegen offener rechtlicher Fragen und fehlender politischer Mehrheiten keine Chance. Es sah die Kooperation des öffentlich- rechtlichen SFB und „privaten“ Veranstaltern, das heißt Einwanderergruppen, vor. Das Geld für ein juristisches Gutachten, das die Frage der Verantwortlichkeit, der Programmaufsicht und der Möglichkeit von Werbung geklärt hätte, wollten wohl weder die MABB noch die AL anlegen.

Eine direkte Beteiligung der Immigranten an dem Multi-Kulti- Programm dürfte damit vom Tisch sein. Die Journalisten von „Multimedia e.V.“, einst beim alternativen Radio 100 muttersprachlich aktiv, denken nun über die Gründung einer Produktionsfirma nach, die die SFB-Welle beliefern könnte. kotte

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