piwik no script img

Memminger Krankenakten vernichtet

■ Der behandelnde Arzt mißtraut der Staatsanwaltschaft

Ulm/Memmingen (taz) – Der Ulmer Arzt Martin Ernst, der die leukämiekranke Katharina Scharpf bis zu ihrem überraschenden Tod im Juli behandelt hat, mißtraut der Memminger Staatsanwaltschaft. Am Montag vor einer Woche war die Praxis des Allgemeinmediziners durchsucht worden, um die Krankenakte Katharinas zu beschlagnahmen. Die Unterlagen wurden jedoch unmittelbar nach dem Tod des Mädchens dem Anwalt der Familie zugestellt, um ein unabhängiges Sachverständigengutachten in Auftrag geben zu können. Deshalb fanden die Memminger Staatsanwälte bei der Praxisdurchsuchung nichts. Inzwischen stellte der Anwalt der Familie die offizielle Krankenakte der Staatsanwaltschaft Memmingen zur Verfügung.

Weitere private Krankenaufzeichnungen hat der behandelnde Arzt inzwischen vernichtet. In einem Schreiben von Ernst an die Familie Scharpf heißt es: „Da von Gutachtern dieser Staatsanwaltschaft keine Neutralität zu erwarten ist und da Leute, die sich nur in einem kleinen Bereich schulmedizinischer Methoden auskennen, keinerlei Sinn für andere Verfahren entwickelt haben, sehe ich mich gezwungen, die Aufzeichnungen, die wir auf privater Basis erstellt haben, mit allen übrigen wissenschaftlichen Aufzeichnungen [...] zu vernichten.“ Ernst schreibt weiter, daß es seines Erachtens zu keinem Zeitpunkt um die Frage ging, „ob wir richtig gehandelt haben, sondern nur darum, unbequeme Andersdenkende auszuschalten“. Wie berichtet, ermittelt knapp ein halbes Jahr nach dem Tod von Katharina die Memminger Staatsanwaltschaft gegen den Arzt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung.

Die Familie Scharpf erklärte: „Bereits vor Beginn der Behandlung durch Herrn Ernst haben wir genau diese Verfahrensweise zur Bedingung gemacht, weil durch die Vorfälle in der Vergangenheit eine objektive Behandlung durch die Memminger Justiz nicht zu erwarten war.“ Klaus Wittmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen