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Poker um Teilzeitarbeit

■ Für viele Lehrer, so die GEW, ist Geld weniger wichtig als die Arbeitsbelastung

Überall im öffentlichen Dienst muß gespart werden, für die Bildungspolitiker aber stellt sich damit noch einmal ein besonderes Problem. Denn die Schülerzahlen im Westen wachsen, in diesem Jahrzehnt schätzungsweise um 20 Prozent. Wie also den Schülerberg bewältigen und gleichzeitig möglichst viele LehrerInnen beschäftigen? Der jüngste Kabinettsbeschluß der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen läßt dazu Einfallsreichtum erkennen.

Zum einen wird die Unterrichtsverpflichtung der LehrerInnen zum Schuljahresbeginn 1994 um eine halbe beziehungsweise eine Stunde erhöht. Zum zweiten aber können die Pädagogen freiwillig ihre Arbeitszeit wieder um die eine zusätzliche Stunde – und entsprechend auch die Bezahlung – reduzieren. Mit den durch den Verzicht freigewordenen Geldern sollen in vollen Umfang Neueinstellungen vorgenommen werden.

Die Verknüpfung von „Kostensenkung“ und „Beschäftigungsumverteilung“ ist öffentlichkeitswirksam, stößt bei der Lehrergewerkschaft GEW aber auf Kritik. „Mehr Teilzeit bei den Lehrern ist durchaus vertretbar“, so der GEW-Vorsitzende Dieter Wunder, aber „man kann den Lehrern nicht zuerst durch eine Arbeitszeitverlängerung eins draufgeben und dann zur Solidarität aufrufen.“

In anderen Bundesländern wurden die Arbeitszeiten für LehrerInnen schon ohne Wenn und Aber erhöht. So im Saarland, in Rheinland-Pfalz, in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Schleswig- Holstein, Bayern und Niedersachsen. Da die LehrerInnen im Westen zumeist Beamte sind, genügen dazu Anordnungen der Regierungen. Für Beamte gibt es keinen tariflichen Schutz, auch wenn tarifliche Bestimmungen für Angestellte, zum Beispiel Gehaltserhöhungen, in der Vergangenheit zumeist übernommen wurden.

Auch die GEW bringt Vorschläge ein zum Problem. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen schlagen Gewerkschafter vor, die Pädagogen in den nächsten vier Jahren „Unterrichtsüberstunden“ ansparen und später dann wieder weniger arbeiten zu lassen. Mehr Teilzeit hält GEW- Chef Wunder für einen von mehreren gangbaren Wegen: „Für viele Lehrer ist Geld weniger wichtig als die Arbeitsbelastung.“

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