: Fahrten ins Graue
■ Tiergartens Baustadtrat warnt nach neuer Studie: Autoabgase werden alle Alarmwerte überschreiten / Senat muß umdenken
Was alle versprechen, hat Tiergartens Baustadtrat Horst Porath (SPD) wahr gemacht. Bei der Verkehrsplanung hat er den Umweltschutz in den Vordergrund gerückt und prüfen lassen, ob die vom Bundesumweltministerium festgelegten Alarmwerte für krebsauslösende Schadstoffe aus Automotoren in Zukunft eingehalten werden können. Beängstigendes Fazit einer gemeinsam mit der Stadterneuerungs-GmbH S.T.E.R.N. in Auftrag gegebenen Studie: Selbst bei wesentlich umweltfreundlicheren Autos und Lastwagen „muß aus Sicht des Gesundheitsschutzes die heute zur Verfügung stehende Straßenkapazität reduziert werden“ – ansonsten werden alle Alarmwerte überschritten.
Als gestern die 150.000 Mark teure Studie im Rathaus Tiergarten vorgestellt wurde, verdeutlichte Projektleiter Manfred Garben von der IVU (Gesellschaft für Informatik, Verkehrs- und Umweltplanung) die Problematik an der Beusselstraße und der Potsdamer Straße. Beide Verbindungen könnten täglich jeweils von 45.000 Autofahrern genutzt werden. Doch selbst wenn sich der Anteil von Autos mit Abgasfiltern von heute bis zum Jahr 2000 auf 80 Prozent verdoppele und sich die Zahl der Lastwagen halbiere, würden die Grenzwerte für Dieselruß bereits überschritten. Andernfalls dürften nicht mehr als jeweils rund 30.000 Kraftfahrzeuge die beiden Straßenzüge befahren – doch schon heute rollen dort soviel Fahrzeuge. Nach den Planungen der Senatsverkehrsverwaltung werde durch neue Bürobauten, Fernbahnhof und Regierungsumzug im Jahr 2000 so viel neuer Verkehr erzeugt, daß Beusselstraße und Potsdamer Straße voll ausgelastet wären – und zwar selbst wenn innerhalb des S-Bahn-Rings (1,1 Millionen Einwohner) drei Fünftel und innerhalb des inneren Straßenrings vier Fünftel aller Personenfahrten mit Bus und Bahn bewältigt würden.
Abgesehen davon, daß „über weite Tagesräume“ alle im Stau stünden, würde in den exemplarisch vorgestellten Straßen der Lärm Tag und Nacht mehr als doppelt so laut sein wie zulässig, meinte Verkehrsexperte Garben. Schon heute werden auf neun von zehn Hauptstraßen im Bezirk die Alarmwerte für Wohngebiete von 65 Dezibel am Tage und 55 Dezibel nachts überschritten. In der neu geplanten Heidestraße soll es mit 70 Dezibel so laut sein, daß Wohnen wie Arbeiten nur hinter geschlossenen Fenstern möglich sein soll.
Die Ergebnisse der Studie seien auf die Bezirke Mitte, Prenzlauer Berg, Treptow, Kreuzberg, Schöneberg, Wilmersdorf und Charlottenburg übertragbar, sagte Porath. Der Baustadtrat forderte gestern, daß der Senat seine Verkehrsplanungen umwerfe. Auch innerhalb des S-Bahn-Rings müsse der Personenverkehr zukünftig statt zu drei, zu vier Fünfteln mit Bus und Bahn bewältigt werden. Selbst dann sei an Brennpunkten wie dem Lehrter Bahnhof täglich stundenlanger Stau zu befürchten. Dirk Wildt
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