: Fauler Kompromiß in britischer Schwulendebatte
■ Homosexualität erst ab 18 „erlaubt“ / Lautstarke Demo, lautstarke Debatte
Dublin (taz) – Schwule Briten bleiben weiterhin Bürger zweiter Klasse. Das Londoner Unterhaus stimmte am Montag abend einem faulen Kompromiß zu, wonach die Strafbarkeitsgrenze für homosexuelle Handlungen von 21 Jahren auf 18 herabgesetzt wird. Der Antrag der Tory-Abgeordneten Edwina Currie, das Alter auf 16 zu senken, wurde dagegen mit der knappen Mehrheit von 27 Stimmen abgelehnt. Mehr als 3.000 DemonstrantInnen vor dem Parlamentsgebäude reagierten auf die Entscheidung mit wütenden Sprechchören, einige warfen mit Flaschen.
Roger Goode von der Schwulenorganisation „Stonewall“ sagte: „Die Diskriminierung geht weiter, und es ist genau diese Diskriminierung, die der Kern des Problems ist.“ Er kündigte an, daß „Stonewall“ die britische Regierung vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen will. Für Heterosexuelle liegt das Mindeststrafalter nämlich bei 16. Damit ist Großbritannien eines der wenigen Länder mit unterschiedlichen Strafbarkeitsgrenzen für Heterosexuelle und Schwule – Lesben gibt es laut Gesetz nämlich nicht.
Genauso lautstark wie vor dem Parlament ging es auch drinnen zu, wo das Thema zum ersten Mal seit 25 Jahren auf der Tagesordnung stand. Bis 1967 stand Homosexualität allgemein unter Strafe. Während ihrer Rede für die Gleichstellung schwuler Männer wurde Currie ständig von den Hinterbänklern ihrer eigenen Partei unterbrochen. Bill Walker sagte, homosexuelle Aktivitäten seien weder natürlich noch normal: „Deshalb muß es einen Schutz für junge Männer geben.“ Currie antwortete darauf: „Die Vorstellung, daß sich Teenager zu einem runzligen, alten Kerl hingezogen fühlen, der ihr Vater oder Großvater sein könnte, ist für die meisten jungen Leute widersinnig und beleidigend.“ Sie argumentierte, die Kriminalisierung führe dazu, daß schwule junge Männer „der Erpressung, Schikane und Belästigung ausgeliefert“ seien, weil sie es nicht wagen können, zur Polizei zu gehen.
Edwina Currie gab gestern die Hauptschuld an der Ablehnung ihres Antrags den 35 Abgeordneten der Labour Party, die bei dem freien Votum dagegen gestimmt hatten. Der innenpolitische Sprecher der Labour Party, Tony Blair, bezeichnete die Parlamentsentscheidung als einen „Schritt in die richtige Richtung“ und prophezeite, daß man „eines Tages auch für die Gleichstellung mit Heterosexuellen“ stimmen werde. Auf einen Zeitpunkt wollte sich der Politiker jedoch nicht festlegen. Ralf Sotscheck
Siehe Kommentar Seite 10
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