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Tauwetter in der Hafenstraße

■ Bürgermeister Voscherau: Dem Hafen eine Chance, wenn Bebauung akzeptiert wird / Kalte Füße bei rechten Genossen Von Sannah Koch

Schneeschmelze – in die Herzen von Bürgermeistern zieht Tauwetter ein. Zumindest scheinen in den Eispanzer des Hamburger Stadtvorstehers Henning Voscherau einige Risse geraten zu sein: Via Abendblatt ließ er gestern den BewohnerInnen der Hafenstraße die Botschaft zukommen, daß sie „noch eine Chance“ bekommen (siehe unten). Nicht länger will er offenbar als Bürgermeister auf Räumungskurs marschieren und dabei an ministrabler Gefolgschaft verlieren. Er fühle sich zu der Erklärung verpflichtet, daß alle rechtstaatlichen Mittel gegen die Hafenstraße überflüssig würden, wenn diese sich zuvor bei der Bebauung des Nachbargrundstücks im Gewaltverzicht übe.

Diese überraschende frühlingshafte Läuterung nach sechs Jahre langem Beharren auf einer rechtsstaatlichen Räumung wärmte gestern die Herzen der einen, erzeugte aber bei anderen kalte Füße – vornehmlich in den Reihen der eigenen Parteigenossen. Während sich Voscherau als nachdenklicher Staatsmann präsentierte (Was muß ich tun? Was darf ich lassen?), zückten Kollegen vom rechten Flügel einmal mehr die verbale Bratpfanne: „Das Nest gehört ausgeräumt“, so der feinsinnnige Ratschlag von Reinhard Hintze (SPD-Fraktionsvorstand). Auch Fraktionschef Günter Elste gab sich skeptisch: Er glaube nicht an die Friedfertigkeit der Bewohner und halte weiterhin Räumung und Abriß für richtig. Innensenator Werner Hackmann hingegen bleibt scheinbar seinem jüngst eingeschlagegen „good-will“-Kurs treu – er begrüße Voscheraus Vorstoß und verstehe ihn als Angebot, „zukünftig in Friedfertigkeit in der Stadt zu leben“, teilte er mit.

Schulterklopfen auch vom Kooperationspartner – Statt Partei-Fraktionschef Markus Wegner über den Bürgermeister: „Ich finde das gut, wenn jemand über seinen Schatten springen kann“. Die Baupläne der Hafenstraßen-Genossenschaft tat er als „Murks“ ab – in die Diskussion über die künftige Bebauung des westlichen Nachbargeländes sollte man aber die Bewohner St. Paulis einbinden, so Wegner. Ganz anders die GAL und Ex-FDP-Chef Robert Vogel: Sie begrüßten zwar das Einlenken Voscheraus, fordeten aber eine neue Diskussion über die Vorschläge der Hafenstraßen-Genossenschaft. Hafenstraßenanwalt Jens Waßmann wertete es als „uneingeschränkt positiv“, daß der Bürgermeister endlich wieder politisch diskutiere. Dies ergebe aber nur Sinn, wenn er gleichzeitig auch einen Konsens in der Frage der Nachbarbebauung anstrebe.

Hingegen wohl unvermeidbar – das obligatorische Gezänk der CDU. Fraktionschef Ole von Beust warf dem Bürgermeister „Tagesopportunität“ vor: „Wer den meisten Druck macht, wird auch noch dafür belohnt“. Manche lieben es halt eiskalt.

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