: Warteschleife für Müllkraftwerk
■ Senat vertagt Entscheidung über Verbrennungsanlage in Neuhof / Drei weitere Standorte nun wieder im Gespräch Von Marco Carini
Man konnte Fritz Vahrenholts Zähne knirschen hören, als er gestern seine „Zufriedenheit“ mit der Senatsentscheidung zur Wilhelmsburger Müllverbrennungsanlage (MVA) bekundete. Denn der Senator, der das umstrittene „Müllkraftwerk“ gestern von seinen KollegInnen abstimmen lassen wollte, war unsanft ausgebremst worden.
Neben einer MVA in Neuhof sind nun wieder drei andere Standorte für die geplante Anlage im Gespräch: die Erweiterung der bestehenden Anlagen Stellinger Moor und Borsigstraße sowie die Dradenau, gleich neben den Hamburger Stahlwerken. Weitere Untersuchungen hält der Senat vor einer endgültigen Entscheidung für erforderlich.
Zwar vermochte Vahrenholt dem Senat das offizielle Bekenntnis abzuringen, daß der von ihm vorgeschlagene Standort „sachlich gut geeignet“ sei, durchsetzen aber konnte er sich nicht. Gleich von zwei Seiten wurden seine energie- und umweltpolitischen Standortargumente in die Mangel genommen.
Die markigen Parteitags-Worte, mit denen Hans-Ulrich Klose ein Anwachsen des Wilhelmsburger Rechtsaußen-Potentials durch eine Entscheidung pro Neuhof an die Wand malte, klangen in der Senatssitzung ebenso nach wie die Aufforderung des Kandidaten für den SPD-Parteivorsitz, Jörg Kuhbier. Der Hamburger Ex-Umweltsenator hatte die „Prüfung anderer Alternativen“ gefordert.
Zudem wurden Vahrenholts Öko-Argumente auf der Senatssitzung mit dem Sparhammer wenn nicht zerschlagen, so doch zumindest heftig beschädigt. Daß die Erweiterung der bestehenden MVAs in Stellingen und in der Borsigstraße vergleichsweise billiger als ein Neubau zu haben ist, konnte der Senator nicht entkräften. Er selbst hatte diese Lösung nie ins Gespräch gebracht, weil er in beiden Fällen nur „eine relativ geringe Umweltverträglichkeit“ gegeben sieht.
Nun sollen die Alternativstandorte bis Anfang April „vertieft geprüft werden“. Doch unklar bleibt, ob soziale, fiskalische oder umweltpolitische Faktoren bei dieser Analyse letztendlich den Ausschlag geben werden. Zwei weitere Probleme: Kippt Neuhof, wird die notwendige Abstimmung mit den bezirklichen Politgremien und den betroffenen AnwohnerInnen des neuen Standortes Monate kosten. Der für Ende 1997 anvisierte Ausstieg Hamburgs aus der Deponie Schönberg gerät damit endgültig ins Wanken.
Zum anderen: Die 240.000 Tonnen zusätzliche Verbrennungskapazität, die die Umweltbehörde nach eigenen Berechnungen zum Schönberg-Ausstieg braucht, lassen sich weder in Stellingen noch an der Borsigstraße errichten; hier liegt das Limit bei jeweils 160.000 Tonnen. Beide Anlagen müßten erweitert werden, um Neuhof überflüssig zu machen. Dabei mag Vahrenholt nicht ausschließen, daß in diesem Fall gleich die insgesamt möglichen Kapazitäten von 320.000 Tonnen errichtet werden. Umweltpolitisch sicher die schlechteste Lösung.
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