: Neuwahlen als letztes Mittel
Nachdem die Brandenburger Ampel platzte, wird heute über Neuwahlen entschieden ■ Von Anja Sprogies
Potsdam (taz) – Nach dem Bruch der brandenburgischen Ampelkoalition am Dienstag abend weisen viele Signale auf Neuwahlen. Im Potsdamer Landtag haben sich bisher die SPD-, CDU- und PDS-Fraktionsvorsitzenden für vorgezogene Landtagswahlen ausgesprochen. Lediglich die FDP votierte dagegen. Zwei Drittel der Stimmen wären für die Auflösung des Parlaments erforderlich. Umstritten ist, ob Abgeordnete, die nach den Wahlen keine Chance auf ein Landtagsmandat mehr haben, vorzeitig auf ihre Abgeordnetendiäten verzichten werden. Als möglicher Termin für die Landtagswahl wird die Europawahl am 12. Juni gehandelt.
Seit Dienstag blinkt Brandenburgs Ampel nur mehr rot-gelb. Bündnis-Fraktionschef Günther Nooke hatte auch im Koalitionsausschuß auf seinem Standpunkt beharrt, Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) habe den Untersuchungssausschuß belogen. Daraufhin machte SPD-Fraktionschef Wolfgang Birthler seine oft wiederholte Drohung wahr und schmiß die Bündnis-Fraktion aus der Ampel. Nooke bedauerte nach dieser Entscheidung, „daß die SPD die Koalition an der Person Stolpes“ festmache und nicht an politischen Inhalten.
SPD und FDP werden auf der Grundlage des bisherigen Koalitionsvertrages regieren. Vier Stimmen fehlen der neuen Regierung jetzt zur Mehrheit im Landtag. SPD-Fraktionschef Wolfgang Birthler will in Zukunft „zu einzelnen Sachthemen Stimmen im Landtag suchen“.
Auf den Fluren des Potsdamer Landtages geisterte gestern penetrant das magische Wort „Neuwahlen“ herum. PDS-Chef Bisky ist nach einer Beratung mit dem extra nach Potsdam gereisten Parteifreund Gysi dafür. „Wenn es keinen politischen Ausweg gibt, sollte der Wähler entscheiden“, forderte Bisky. Die PDS – seit der Kommunalwahl vom Dezember 1993 zweite Kraft im Land – dürfte bei Neuwahlen am meisten vom Ampel-Debakel profitieren.
Seit dem Besuch vom Bonner Generalsekretär Peter Hintze (CDU) am Dienstag spricht sich auch die Mehrheit der CDU- Landtagsfraktion für Neuwahlen aus. Sie will heute sogar einen Antrag auf Auflösung des Landtages stellen. Wenn die Abgeordneten zustimmen, müßte innerhalb von siebzig Tagen neu gewählt werden.
Ministerpräsident Stolpe, der vergangene Woche selbst „Neuwahlen als letztes Mittel“ postulierte, wollte gestern davon nichts mehr wissen. „Wer es wünscht, möge bitte die erforderliche Zweidrittelmehrheit herbeiführen“, sagte er in seiner Regierungserklärung. Doch auch in seiner Partei erheben sich Stimmen dafür. Der SPD-Landesvorsitzende Steffen Reiche und Fraktionschef Birthler votierten für vorgezogene Landtagswahlen. Für Landwirtschaftsminister Zimmermann (SPD) wäre das „die sauberste Lösung“. Auch Bauminister Meyer (SPD) hätte nichts dagegen. Zimmermann und Meyer hätten sich zudem einen klaren Koalitionsschnitt gewünscht. Stolpes Entscheidung, daß Umweltminister Mathias Platzeck (parteilos) und Bildungsminister Roland Resch (Bündnis 90/ Die Grünen) weiter dem Kabinett angehören können, kritisierten beide. Auch die PDS- Fraktion ist in der Bewertung des Koalitionsbruchs gespalten. Der Landesvorsitzende Helmuth Markov sieht in der „Minderheitenregierung von SPD und FDP“ sogar ein Modell, welches über die Legislaturperiode hinausgehen könnte.
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