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Wenn Fasel-Hansch kommt ...

■ ... dann steht einer frei wie auf dem Weihnachtsmarkt

Berlin (taz) – Nicht daß Fußballreporter unbedingt etwas von Fußball verstehen müßten. Es wäre schön, aber scheinbar ist das Medium für denkende und diese Gedanken auch in adäquater Form Ausdruck verleihende Menschen ungeeignet. In der Überzahl sind die Salonplauderer, die, während sich ein Konter anbahnt, von der treuen Anzeigetafel schwärmen. Die Statistiker, die gewissenhaft bemüht sind, jeden, der in die Nähe des Balls kommt, zu benennen, und die Lokalpatrioten, die für diesen oder jenen Verein schwärmen und diesen oder jenen Trainer hassen.

Der gute Reporter, wenn es ihn denn gäbe, wäre in der Lage, die wesentlichen Strukturen eines Spieles zu erkennen. Entwickeln sich Schwerpunkte – räumlich wie personell – verändern sie sich und in welcher Form? Wer bestimmt das Spiel aufgrund welcher Einflußnahmen?

Fasel-Hansch ist kein guter Reporter. Nicht, weil er einen mächtigen Schnurrbartbesen vor sich herschiebt und – gott sei Dank selten – immer äußerst aufgeräumt in die Kamera tut. Auch nicht, weil er um diese aufgesetzte Emotionalität bemüht ist, ständig zu pflegen und zu einer Art Markenzeichen werden zu lassen. Werner Hansch trägt nichts dazu bei, die Qualität einer Spielbetrachtung zu steigern. Er weiß wenig zum Spiel zu sagen und erschöpft seine geringen Ressourcen rasch, indem er alle Kraft auf der Suche nach passenden „Bildern“ läßt.

Irgend jemand muß ihm gesteckt haben, daß er auf diesem Gebiet Beachtliches zu leisten imstande sei, und seitdem ist Hanschen auf großer Metaphernjagd. Möchte sich mit klug und zielsicher hingestreuten Perlen der Reportage unsterblich machen. Was er da aber mit ungelenker Hand vor die Säue streut, entpuppt sich sehr schnell als mattes Glasprodukt: „Da stand er aber auch frei – wie auf dem Weihnachtsmarkt ...“ zum Beispiel. Nur mäßig witzig, was jedoch zu entschuldigen wäre, weil es im Eifer der Reportage durchaus passieren kann. Auch die Verbindung zum Weihnachtsmarkt ist nachzuvollziehen, denn das Spiel fand in der Adventszeit statt. Ansonsten ist der Vergleich saudumm. Es gibt kaum einen Platz, auf dem seltener jemand frei herumsteht als auf einem Markt. Einem Weihnachtsmarkt schon gar nicht.

Schließlich soll die Metapher einen relativ komplexen Inhalt attraktiv komprimieren und ihn über diesen Weg dem Konsumenten schmackhaft machen. Fasel- Hanschs Bilder sind zwar komprimiert, aber in der Regel bar jeden Inhalts. „Wer den Hammer sucht, findet auch die Nägel ...“ (angesichts eines Spielers, der mit den Fäusten auf den Boden trommelt). Oder: „Nürnbergs Abwehr spielte in der ersten Halbzeit in Leverkusen wie eine Mischung aus Bratwurst und Lebkuchen.“ Was, um Gottes willen, soll das bedeuten? Welche geheimnisvollen und für den Normalsterblichen in keiner Weise nachvollziehbaren Denkverrenkungen vollzieht Hansch hinter seinem Schnurrbart? Dieser Mensch hat immerhin ein Jura- Studium begonnen und hört angeblich Beethoven ...

Vielleicht haben ja wenigstens seine Fans recht, die die Lebendigkeit seiner Sprache loben. Wie der knurrt und das „r“ rollte, verbal geradezu ins Taumeln gerät, angesichts ... ja, wessen eigentlich? Geht es dem großen Fasler wirklich um den Sport? Um Fußball, den er früher Scheiße fand, als er noch Sprecher auf der Pferderennbahn war? Oder ist sein Hauptanliegen nicht vielmehr, ein wie auch immer geartetes Forum für das aus ihm herauspurzelnde, haltlose Gewäsch zu finden?

Hansch jedenfalls ist niemals richtig gelangweilt oder angewidert, wenn sich nichts oder qualitativ Minderwertiges tut auf dem Rasen. Im Gegenteil: Dann kann er seinem Hang zum Dampfplaudern erst so richtig nachgehen. Auch wenn auf dem Bildschirm nur ein Platzwart zu sehen ist, der die Linien nachzieht, muß er vor Vergnügen glucksen: „Da sind die Jungs wohl zu oft auf den Strich gegangen ...“ A-hau, a-hau! Zum Piepen! Schon ist das Niveau eines fidelen Stammtischbruders erreicht. Der Sorte, die aufgeregt bellend „ran“ verfolgt. An kleinen, runden Tischen sich den Pilsschaum aus dem Bart leckend und ohne jede Ahnung, was sich da tut. Das sind auch Menschen, kein Zweifel. Aber muß einer von denen unbededingt im Fernsehen seine Inkompetenz ausbreiten? Und ein „Volley-Schnibbel-Ding“ bejubeln? Motorisch eine vollkommene Paradoxie. So etwas gibt es gar nicht, Werner Hansch. Eine Volley-Abnahme erfolgt mit dem Spann, dem Innenrist, ganz selten mit dem Außenrist oder noch seltener mit der Hacke (Fritz Walter). Schnibbeln mit dem Ball bedeutet, wenn es überhaupt eine Bedeutung hat: anschneiden, gefühlvoll vorbeidrehen, auf engstem Raum tricky durch den Gegner spielen. Ein Volley-Schnibbel-Ding geht in die Wolken!

„Das ist doch nicht so schlimm. Muß man das denn alles so genau nehmen?“ Natürlich ist es nicht schlimm. Natürlich muß man das alles nicht so genau nehmen. Warum aber muß sich Werner Hansch in ein Ressort drängen, von dem er anscheinend keine Ahnung hat? Wäre er bei der Juristerei geblieben oder auf der Pferderennbahn. Soll er Talkshows moderieren und launig das Wetter ansagen. Oder andersherum: Warum darf mein Schwager nicht die Bundesliga kommentieren? Weil dem nichts einfällt? Sätze wie: „Das ist einer, der sein Herz in beide Hände nimmt und es dann in die Schuhe rutschen läßt ...“ (AS Rom – Dortmund) sicher nicht. Mein Schwager ist schließlich noch bei Trost.

Trotzdem ist Werner Hansch nicht unbeliebt. Viele, heißt es, freuen sich jeden Samstag auf Werner Hansch. Eine ran-Sendung ohne Hansch sei keine ran- Sendung. Heißt es. Wenn dieser Aussage keine Sat.1-eigene Werbestrategie zugrundeliegt, scheint ausreichendes Interesse für hohles Geschwätz vorhanden zu sein.

Im Grunde nicht verwunderlich. Der Sat.1-Reporter hat Legionen von Faslern hinter sich, die – wer Ohren hat, der höre – jedes Wochenende auf die Sportplätze drängen. Kein Fleckchen in irgendeinem Stadion, das nicht von unwissenden, flachen Tölpeln belagert wäre. Deren fachliches Vokabular sich in „höööhööö!“ und „Raus mit dem!“, „Der muß rein!“ und „Schwarze Sau!“ erschöpft. Denen spricht Fasel-Hansch natürlich aus der Seele. Die staunen, wie man in solcher Geschwindigkeit derart viele Wörter aneinanderreihen kann. Wortschöpfungen wie „Rasen-Erotiker“ aus dem Nichts zu zaubern versteht, wenn Toni Polster in Missionarsstellung auf der Wiese liegt. „Rasen-Erotiker!“ – das ist gut, oder? Der Mann hat es faustdick hinter den Ohren. Da wäre man selbst nie drauf gekommen, an seinem kleinen, runden Tischchen. Rasch noch ein Pils auf soviel Originalität. Auch wenn er Duisburgs Michael Preetz als das Sinnbild für „erigierte Freude“ dingfest macht, weil der die Arme in die Höhe reckt. Wie's ihm nur einfällt! Wie er nur drauf kommt! Redet wie ein Buch und ist doch einer von uns jeblieben – de Werner ...

Ist das so? Leute, die ihn näher kennen, sagen, Werner Hansch sei ein rechter Mann. Ein guter Vorgesetzter, kollegial und fair. Soll so sein. Peter Kraus ist vielleicht auch ein prima Kerl: Er kann halt nur nicht singen. Und für den Zuschauer und ran-Konsumenten definiert sich Hansch rein über den Job, den er abliefert, und den erledigt er via Bildschirm.

Um einen leicht abgewandelten Spruch des Kohlenpott-Sprachwunders zu benutzen: „An der Sprache des Mannes erkenn' ich den Johannes ...“ Hansch sagt so was leicht dahin und denkt, er präsentiere ein mordsmäßiges Ding. Dabei spielt er, leider Gottes, nur an einem mageren Würstchen. Er ist nicht echt.

Wer genau hinsieht und -hört, nimmt ihm die Begeisterung für das soeben gelaufene Spiel ebensowenig ab wie den fußballbegeisterten Kumpel, den er sich abzugeben bemüht: den einfachen Mann, geradeheraus und so, der Sport guckt und dabei überraschend pfiffige, gar gescheite Sachen sagt. Auch wenn das mit den gescheiten Sachen meistens nicht so hinhaut, muß man sich fragen: „Darf der das?“ Natürlich darf er. Warum soll einer keine gute Vorstellung liefern? Nichts dagegen, wenn die Vorstellung zumindest als solche angekündigt wird. Sonst handelt es sich um eine Vortäuschung falscher Tatsachen, und das ist ärgerlich. Oder langweilig – was in seinem Fall noch schlimmer ist. Albert Hefele

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