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Herzensbildung

■ Constantine Giannaris' Film „North of Vortex“ im Moviemento

Irgendwie mag ich solche Filme. Eine äußere Handlung läßt sich nicht vermeiden, die Explosionen finden in den Köpfen oder vielmehr in den Bäuchen der Protagonisten statt. Constantine Giannaris jagt in seinem Roadmovie „North of Vortex“ einen Dichter, einen Matrosen (knackiges Kerlchen) und ein Mädchen durch eine karge Felslandschaft. Zur Erziehung der Herzen.

Aus der Vogelperspektive kann man den unterschiedlichen Konstellationen des Trios im Motel beiwohnen. Knutscht der Dichter mit dem Mädchen, schmollt der Matrose, treibt's der Dichter mit dem Matrosen, knatscht das Mädchen u.s.w. Eine Off-Stimme führt durchs Bettgeschehen („Jackie war vom Dichter fasziniert und von der magischen, aufregenden Welt, die seine Ankunft versprach“), das bisweilen von Fahrten im schicken Cabriolet unterbrochen wird. In bloß einer Stunde gelingt es Regisseur Giannaris, ein bizarres Wirrwarr von Gefühlen auf die Leinwand zu werfen.

Kunstvolle Schwarzweißfotografie, cooler Jazz und der Off- Kommentar entmelodramatisieren die Seelenqualen der Helden, „North of Vortex“ wird zur streng- stilisierten Versuchsanordnung über Lust und Leidenschaft. Um den Stoff noch ein wenig zu genetisieren, ist das Verhältnis zwischen den Männern oft recht ruppig. („Der Dichter hatte die Gewalt von Männern schon oft erlebt. Es war der Kitt, der seine Existenz zusammenhielt. Weit davon entfernt, für andere Männer eine Bedrohung zu sein, wurde er eigentlich nur toleriert, weil sie es brauchten, daß man ihnen mit diesem perversen Ritual der Anbetung huldigte.“) An einem Abgrund kommt es zur handfesten Auseinandersetzung, das dürre Dichterchen wird vom Matrosen übelst zugerichtet. Unbeirrt von den Geschehnissen hält das Mädchen auf dem Rücksitz des Autos ein Nickerchen, zärtlich liebkost die Kamera ihre nackten Zehen beim Räkeln gen Himmel.

„North of Vortex“ erinnert an die eigene pubertäre Vergangenheit, als man wild auf Partys herumknutschte und doch nicht so richtig wußte, wohin mit dem Kribbeln im Bauch. Mißmutigen Gesichts lief man durch die Gegend, auf der Suche nach dem waschechten Gefühl. Trotz seines hochgestochenen Monologs trifft Giannaris' unterkühlter Liebesreigen das Lebensgefühl dieser fernen Zeit. Wie seine drei Helden gab man sich lässig-cool, war ständig in Bewegung und kam trotzdem nirgends an. Anke Leweke

Constantine Giannaris: „North of Vortex“. Moviemento

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