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Vorschlag

■ Gelungen persönlich: Maria Gräfe und Angela Stoll im BKA

„Wo ist denn das Publikum?“ ist einer der ersten Sätze, den die hagere Dame in Schwarz von der Bühne in den Zuschauerraum träufelt. Denn dieses ist ein notwendiger Teil von Maria Graefes sinnlich-absurden Ausflügen in ihre Erinnerungslücken, ebenso wie die Klavierbegleitung Angela Stolls. Das Publikum ist Spiegel und Gegner, vertraute und verführbare Masse zugleich, und eingeladen, dem verzweifelt-trotzigen Resümee einer alternden Diva beizuwohnen: „Zwischen schwarz und weiß“.

Der Boden ist übersät mit Fotografien, Barockmöbel lauern auf ihren Einsatz, hier eine Federboa, da eine Damenhandtasche. An einem roten Faden, der keiner ist, sondern eine sehr persönliche Assoziationskette, sind die Chansons und Texte aufgereiht, die Maria Gräfe als derangierte Chansonette, erotische Foxy Lady, Wesen mit verrutschtem Wirklichkeitssinn oder sentimentale Alte hinwirft. Die Komik entsteht unerwartet, durch Nebensätze, Anfügungen, Ausbrüche aus der Rolle. Die Interpretation der Songs, zwischen altmodischem Chanson und Verlorenheitsgefühl der Neuzeit, überzeugt immer dann, wenn Maria Gräfe ihre ausgezeichnete Sprechstimme à la Dietrich aus dem Schlund holt und dazu Gestik und Mimik voll ausspielt. Ein Ave Maria dagegen wirkt etwas verunglückt, die Gesangsstimme hat kein Durchhaltevermögen – vielleicht wäre eine schräg-schrille Parodie gelungener gewesen. Einige Songs, wie den Heuler „Nur nicht aus Liebe weinen“, bricht sie mittendrin ab, um von etwas zu reden, was ihr anscheinend gerade in den Sinn kommt – das wirkt spontan, ungekünstelt, ist aber tatsächlich detailgenau inszeniert und wohlplaziert.

Angela Stoll am Klavier läßt ihrer Partnerin die lange Leine, begleitet sie sensibel durch Höhen und Tiefen, mit wenigen, überzeugenden Blicken und kleinen Gesangseinlagen. Beim Knallen des Champagnerkorkens vertieft sie sich in Chopin, und ab und an beißt sie kräftig in einen Apfel. Die riesige, breite Bühne des BKA wird von Gräfe während des gesamten Programms mit großer Selbstverständlichkeit und Sicherheit eingenommen – jeder Schritt und Blick sitzt, so wie der schlabbrige, braune Plüschhund auf der Schulter ihrer Abendgarderobe. Anna-Bianca Krause

Bis 22.5., Mi.–So., 20 Uhr, BKA, Mehringdamm 34, Kreuzberg.

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