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Short Stories from AmericaSo was hätt's bei Giuliani nicht gegeben

■ Hubschrauberabschuß contra Drogenpolitik: New Yorks Bürgermeister verkauft seine Pannen viel geschickter als Clinton

Der Angriff der US-Armee auf ihre eigenen Hubschrauber hat eine Menge Fragen aufgeworfen, vor allem die nach der Kompetenz der amerikanischen Regierung. Ein hoher Armeeoffizier und ein Berater des Außenministeriums wurden am hellichten Tag umgebracht, bei gutem Wetter, dazu 13 weitere Amerikaner, zwei britische Offiziere, ein französischer – Bürger von Ländern der Nato und des UN-Sicherheitsrates – und habe ich schon erwähnt, daß auch fünf Kurden an Bord waren? Kein Gefechtsqualm nahm der Armee die Sicht; es gab noch nicht einmal Anzeichen, daß der Irak die Flugverbots-Zone verletzt hatte. Aber Leute wie wir kamen ums Leben. Wie konnte die Regierung diese Geschichte an die Öffentlichkeit dringen lassen?

Diese Indiskretion ist schlimmer als Whitewater; aus ihr ergeben sich ernste Fragen nach der Fähigkeit dieser Regierung, mit ihrem Kram fertig zu werden. Schließlich hatte die Regierung nach den Invasionen von Grenada, Panama und Irak (letztere häufig als Golf-Krieg bezeichnet) eine strenge Zensur der Militärnachrichten eingeführt, um zu verhindern, daß ihr Ruf durch eben solche Wahrheiten Schaden nähme. Die US-Öffentlichkeit wird niemals erfahren, was bei den Feldzügen in Grenada, Panama und Irak alles passierte – in den Gebieten, die bei den von der Regierung veranstalteten Presseausflügen ausgespart blieben. Und das zu Kriegszeiten, als die Leute ständig Nachrichten hörten, um die Wahrheit zu erfahren (außerdem gab es im Fernsehen kaum etwas anderes). Das war eine Regierung, die ihr Metier beherrschte. Wenn die Leute nicht ständig auf der Suche nach Kriegsnachrichten durchs Programm zappen, müßte es doch eigentlich noch viel leichter sein, Informationen unter der Decke zu halten. Na ja, es gibt Kriege in Bosnien und in Indonesien, und in Ruanda, und dann gibt es noch Belfast und die Westbank, aber wie ich schon sagte: die Leute zappen nicht. Aber trotzdem wurde bekannt, daß die USA ihre eigenen Leute abgeschossen haben. Wie will die Regierung eine solche Panne erklären?

Clinton wurde hart kritisiert, weil er die Gesundheitsversorgung in Amerika reformieren will, aber keine seiner bisherigen Torheiten – wie zum Beispiel die Erklärung, jeder Amerikaner verdiene eine Krankenversorgung – konnte mit dieser neuesten konkurrieren. Im Augenblick wird Amerika nicht vom Weißen Haus aus geführt, sondern zum Beispiel vom Amtssitz des New Yorker Bürgermeisters Rudolph Giuliani. Das ist ein Mann, der die Dinge richtig anpackt.

Er muß zum Beispiel einen Etat ausgleichen, und er weiß, daß Kürzungen immer bei der Ausbildung und den Sozialleistungen erfolgen müssen. Dabei läßt er sich auch nicht von Untersuchungen beeinflussen, die den Erfolg eines Familienhilfeprogramms belegen, bei dem Sozialarbeiter (mit jeweils nur zwei bis drei Fällen) intensiv mit Familien arbeiten, in denen es zu Kindesmißhandlungen oder Vernachlässigung kam. In einer Untersuchung von 2.505 Kindern des Programms kam es nur in einem Fall zu einer Wiederholung der Mißhandlungen, verglichen mit 75 Fällen von Mißhandlungen für jeweils 2.500 Kinder, die aus ihren Familien genommen wurden. 98 Prozent der Erwachsenen in dem Programm sagten, sie würden es anderen betroffenen Familien empfehlen; 99 Prozent der Sozialarbeiter berichten, das Programm sei erfolgreich. Die Sozialarbeiter sind auch mit ihrer Arbeit zufrieden (82 Prozent), während es sonst bei Behörden der Kinderfürsorge normal ist, daß die Sozialarbeiter schnell ausbrennen – was wiederum den Familienhelfern neue Arbeit verschafft. Um die Zahl der Fälle je Familienhelfer niedrig und somit die Qualität der Arbeit hoch zu halten, müssen die Städte Familienhelfer einstellen. Das kostet Geld, und wenn Giuliani eine Sparmöglichkeit vor die Augen kommt, dann erkennt er sie auch.

Im Erziehungsbereich, so erklärte Giuliani, sollten 2.500 Arbeitsplätze gestrichen werden, um eine aufgeblähte Bürokratie zu „verschlanken“. Natürlich gibt es eine Fettschicht im Erziehungssektor, aber die Zahl von 2.500 ergibt sich kaum aus einer Analyse der Verwaltungskosten. Das ist einfach die Zahl der Gehälter, mit denen Giuliani die Budgetlücke auffüllen will. Darauf hat auch die Presse hingewiesen, zum Beispiel Bob Herbert in einem Kommentar der New York Times: „Es gibt 1,1 Millionen Schüler und 65.000 Lehrer im New Yorker Schulsystem. Irgend jemand muß die Einstellungen besorgen, die Bezahlung regeln, für die Schulmahlzeiten sorgen, Material und Ausstattung einkaufen, für die Sicherheit sorgen und so weiter und so fort.“ Aber Giuliani weiß schon, wie er für Ruhe sorgt.

Wenn wir von den Schulmahlzeiten reden, so ist das ein Programm, für das Giuliani zusätzliche Kürzungen vorgesehen hat. Angesichts der Qualität der Ausbildung in New Yorker Schulen war das Mittagessen eines der wenigen Fächer, die sich lohnten. Für manche Schüler ist es auch die einzige richtige Mahlzeit. Aber Giuliani ist nicht der Mann, der vor einer schwierigen Aufgabe zurückschreckt.

Nehmen wir nur sein neues Programm zur Drogenbekämpfung. Er verlagert den Schwerpunkt von den großen Dealern auf die kleinen Straßenverkäufer, was heißt: mehr kleine Ganoven und mehr Süchtige wandern in die Gefängnisse. Ein Programm zur Drogenbehandlung gibt es nicht mehr, obwohl Giuliani selbst sagte, soweit er wisse, sei ohne Behandlungsprogramm das Drogenproblem nicht dauerhaft zu beeinflussen. Er sagte auch, ihm sei klar, daß es billiger sei, Süchtige zu behandeln, als sie ins Gefängnis zu stecken – 40.000 Dollar billiger pro Jahr und Fall (20.000 Dollar kostet es, einen Süchtigen in einer Therapieeinrichtung unterzubringen, 60.000 Dollar, ihn ins Gefängnis zu stecken). Offizielle schätzen die Zahl der New Yorker Süchtigen auf 500.000, und Therapieplätze gibt es für zehn Prozent. Aber Giuliani weiß, was für die Bürger am besten ist, und anders als Clinton zieht er das auch durch.

Giulianis Drogenpolitik verlagert außerdem die Verantwortung für die Verhaftungen in Drogenfällen von den spezialisierten Einheiten zur Drogenbekämpfung auf den einfachen Streifenpolizisten. Die Sondereinheiten wurden geschaffen, weil die Drogenkorruption in den lokalen Revieren überhandgenommen hatte. Giuliani verkündete seine neue Politik in der gleichen Woche, in der auch ein größerer Schlag gegen die Drogenkorruption in der New Yorker Polizei erfolgte. Aber davon war in den Nachrichten nichts zu hören. Wir haben also einen Bürgermeister, der die Presse voll im Griff hat und seine Sachen durchzieht. In einem einzigen Revier in Harlem wurden zwölf Polizisten angeklagt, sie hätten Geld und Drogen gestohlen, Drogen verkauft und Händler zusammengeschlagen, die nicht kooperieren wollten. Die New Yorker Polizei erwartet in den kommenden Monaten noch Dutzende weitere Verhaftungen. Aber Giuliani zieht seine Sachen durch. Hätte er im Irak das Kommando gehabt, wäre die Hubschrauber-Geschichte nie an die Öffentlichkeit gekommen. Er hätte die Presse„kosten“ niedrig gehalten und an den Mahlzeiten der Armee gespart.

Allerdings ist mir völlig unklar, wie die Geschichte von der Polizeikorruption überhaupt bekanntwerden konnte. Marcia Pally

Aus dem Amerikanischen von Meinhard Büning

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