piwik no script img

Polizisten kotzten in die Schränke

■ Eine feuchte Studienfahrt des Polizeinachwuchses nach Karlsruhe beschäftigte den parlamentarischen Innenausschuß

Mit sich sträubender Feder schrieb Kriminalhauptkommissar Dieter Rommel von der Landespolizeidirektion Karlsruhe im vergangenen Oktober an den Berliner Polizeivollzugsdienst: „Hiermit tue ich etwas“, offenbarte er, „was ich in meiner beinahe 40jährigen Dienstzeit noch nie tat: Ich ,verpetze‘ Kollegen.“ Rommel, der in Karlsruhe die Exkursionen von Polizeischülern betreut, fährt fast entschuldigend fort: „Gezählt habe ich die Gruppen nicht, die ich im Laufe der Jahre betreuen durfte; deswegen bin ich wohl einiges gewohnt, (...) aber mit der letzten Gruppe aus Berlin bin ich am Ende meines Lateins.“ Die Rede ist von Aufstiegsbeamten und Seiteneinsteigern der Polizei, die 1993 im Rahmen ihres Studiums an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege nach Karlsruhe fuhren. Daß sie „selbst bei der Begrüßung durch unseren Polizeipräsidenten“ den „großen Bieranzug trugen“ (legere Freizeitkleidung, d. Red.), so Rommel, „kann ich noch verstehen“. Auch daß die Gruppe bei den Stadt- und Schloßführungen „keinen Hehl aus ihrem Desinteresse“ machte und er, Rommel, nach kurzer Zeit zum wiederholten Mal „nur noch mit fünf Personen und dem Stadtführer dastand“. Aber was sich die Berliner Polizisten abends in ihrer Herberge leisteten, könne beim besten Willen nicht mehr toleriert werden, schrieb der Kriminalhauptkommissar: „In der Unterkunft der Männer war in Schränke, Leintücher und Wolldecken gekotzt, letzteres fein säuberlich gefaltet, so daß die Reinemachefrauen schön reingriffen.“

Die feucht-fröhliche Exkursion der Ordnungshüter beschäftigte gestern auf Antrag des grünen Abgeordneten Wolfgang Wieland den Innenausschuß des Abgeordnetenhauses. Auch wenn die Polizeischüler diesmal nicht durch das Singen des „Horst-Wesssel-Liedes“ oder „Sieg Heil“-Brüllen aufgefallen seien, sei es für den Ruf Berlins vielleicht besser, solche Reisen in Zukunft zu unterbinden, so Wieland. Der CDU-Abgeordnete Siegmund Jaroch fand dies reichlich übertrieben: „Wir waren alle mal jung“, warb er um Verständnis: „Jeder von uns hat so was schon gemacht.“ Wieland gab entrüstet zurück: „Ich habe noch nie in Schränke gekotzt“, und sorgte mit dieser Bemerkung bei den Abgeordneten sämtlicher Parteien für schallendes Gelächter. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, erklärte Innensenator Dieter Heckelmann (CDU), „die jungen Leute“ seien „abgemahnt“ worden. Es müsse aber auch auf die Lehrer der Fachhochschule eingewirkt werden, forderte er, damit „das universitäre laissez faire, laissez aller dort nicht Platz greift“. Was der Senator verschwieg: Aus einem internen Schreiben der Innenwaltung geht hervor, daß man dort geradezu erleichtert zur Kenntnis genommen hatte, daß es in Karlsruhe zu keinen ausländerfeindlichen Vorfällen gekommen ist. Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen