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Wenn Generäle von Demokratie reden...

...gehen Nigerias Demokraten auf die Straße / Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung für Nigeria provozieren Unmut der Opposition / Wer kontrolliert die Militärs?  ■ Von Uwe Kerkow

Bonn (taz) – Die Diskussion um eine Demokratisierung Nigerias, des bevölkerungsreichsten Landes in Afrika, ist seit der Machtergreifung der Militärs 1985 nie abgebrochen. Das politische Ergebnis bestand jedoch immer in einem Wechsel der Militärs an der Staatsspitze. Zuletzt übernahm im vergangenen November General Sani Abacha die Macht – Ende einer kurzen Interimsphase, nachdem General Ibrahim Babangida im Juni freie Wahlen abhalten und wieder annullieren ließ.

Nun versucht Abacha selber, Wahlen durchzuführen. Gewählt werden soll in zwei Wahlgängen, am vergangenen Montag und am kommenden Samstag, eine verfassunggebende Versammlung, die die Verfassung renovieren und die Modalitäten erneuter Wahlen diskutieren soll. Nigerias Demokratiebewegung, durch die Annullierung der letzten Wahlen desillusioniert, betrachtet das als Ablenkungsmanöver und hat zum Wahlboykott aufgerufen. Bei einem ersten Protestaufruf am 9. Mai wurde den Militärs ein Ultimatum bis Monatsende gestellt, um auf die Forderungen nach Demokratisierung einzugehen, wie sie zum Beispiel im April auf einer Konferenz in London präzisiert worden waren: Aufhebung des Verbots politischer Parteien, Ausrufung des annullierten Wahlergebnisses vom Juni 1993, Inkraftsetzen der Verfassung von 1989. Das Problem wird nicht im Fehlen einer Verfassung gesehen, sondern in der Nichtbeachtung der eigentlich geltenden, die eine Demokratisierung festschreibt.

Die Opposition beklagt weiterhin das Fehlen einer freien Justiz und kontrollierender Instanzen, die die Wirtschaftspolitik der Regierung unter die Lupe nehmen könnten. Wie notwendig das Land eine sachgerechte, demokratisch kontrollierte Verteilung seiner knappen Ressourcen nötig hätte, zeigt sich schon bei einer oberflächlichen Bestandsaufnahme der Wirtschaftspolitik der Regierung Abacha: So wurde im Januar die Landeswährung Naira kräftig aufgewertet, der Wechselkurs und die Zinssätze wurden staatlich festgelegt, was internationale Kreditgeber mißtrauisch macht, die knappen Devisenreserven schmälert und der Inflation Vorschub leistet. Die Zentralbank stellt dieses Jahr der nigerianischen Wirtschaft insgesamt nur 100 Millionen Dollar zur Verfügung – gegenüber 1993 eine Kürzung um ein Drittel. So wird es schwierig, die für den Import von Investitionsgütern nötigen Dollars zu bekommen. Die Weltbank hält derzeit einen Kredit von 200 Millionen US-Dollar für eine Gasverflüssigungsanlage zurück, um die Militärregierung zur Wiederaufnahme einer liberalen Wirtschaftspolitik zu bringen.

Nicht zuletzt deshalb verrotten die vorhandenen Industrieanlagen. Augenfälligstes Beispiel: die vier Ölraffinerien des immerhin fünftgrößten Ölproduzenten der Welt. Nachdem jahrelang das heimische Öl zu Dumpingpreisen auf den Markt gelangt war, produziert jetzt keine der vier Anlagen mehr, so daß Diesel, Benzin und Kerosin jetzt auf dem Spotmarkt von Rotterdam gekauft werden müssen – zu Weltmarktpreisen.

Der daraus folgende Spritmangel ist in Nigeria Thema Nummer eins. Zwar wurde Anfang des Jahres die gesamte Spitze der staatlichen Ölgesellschaft NNPC ausgetauscht, doch sehen Beobachter darin eher eine Belohnungsaktion für Abacha-Getreue als den versprochenen Neuanfang. Die von Abacha nach seiner Machtergreifung angekündigte Schaffung zweier Kommissionen, die die Arbeit der NNPC und der für das Verschwinden von Dollarmilliarden berüchtigten Zentralbank kontrollieren sollen, ist bis heute nicht erfolgt. Fände sie statt, müßte auch hier damit gerechnet werden, daß für Gefolgsleute lukrative Nebenjobs entstehen.

Für sein Militär hat Abacha allerdings immer genug Geld. Während die staatliche Eisenbahngesellschaft – deren Sanierung im laufenden Haushaltsjahr als „vorrangig“ eingestuft wurde – klagt, daß sie nur noch 36 funktionierende Loks hat, ließ Abacha von Klaus Groege, Geschäftsführer des „Aeronautisch-Industriellen Maschinenbauprojekts“, den „Flug Nigerias in das 21. Jahrhundert“ verkünden: In Zusammenarbeit mit der Daimler-Tochter Dornier ist bis Ende 1995 der Bau von 60 Trainingsflugzeugen für die Luftwaffe geplant, wobei 80 Prozent der Teile aus nigerianischer Produktion kommen sollen.

Was das kostet, ist ebensowenig bekannt wie die Ausgaben für die Auslandseinsätze des Militärs. Nigeria hält im Rahmen von UN- Missionen Soldaten in Somalia, Ex-Jugoslawien, der Westsahara und bis vor kurzem in Ruanda stationiert. In Liberia stehen seit 1991 über 10.000 nigerianische Militärs als Führer einer regionalen Friedenstruppe. Ob die Generäle über solche Aktivitäten demokratische Kontrolle zulassen, steht im Moment natürlich nicht zur Debatte.

All das bietet der demokratischen Opposition – Anhänger des im Juni gewählten „annullierten“ Präsidenten Moshood Abiola sowie Menschenrechtler um den Anwalt Gani Fawehinmi, den Bürgerrechtler Beko Ransome-Kuti und den Schriftsteller Wole Soyinka – genug Grund, neue Kampagnen gegen das Regime zu organisieren. Ob sie dazu aber stark genug ist, bleibt zweifelhaft. Die von Ransome-Kuti geführte „Kampagne für Demokratie“ hat sich unlängst im Streit über das Verhalten ihres Vorsitzenden gespalten.

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