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Türkische Berliner sind pessimistisch

■ Am Sonntag jährt sich der Solinger Mordanschlag zum ersten Mal / Situation der Immigranten nicht verbessert

Nach dem Brandanschlag in Solingen, bei dem vor einem Jahr fünf Türkinnen ums Leben kamen, haben sich die Perspektive und die rechtliche Absicherung der 140.000 Berliner Türken nicht verbessert. Das erklärten der Bund der EinwanderInnen aus der Türkei (BETB), die Türkische Gemeinde (TGB) und der türkische Elternverein. „Außer guten Reden ist nicht geschehen“, erinnerte der Sprecher des BETB, Safter Cinar, an die Versprechungen und Betroffenheitsbekundungen der Politiker nach den Solinger Morden.

Die Polizei hat 1993 in Berlin 74 rechtsextremistische Gewalttaten gegen Personen und Sachen verzeichnet. Eine gesonderte Statistik, wie viele der Opfer Ausländer waren, existiert nicht. Zu vergleichbaren Taten wie in Solingen ist es in der Stadt an der Spree bislang zum Glück nicht gekommen. Für den Sprecher der Innenverwaltung, Bonfert, ist das der klare Verdienst von Innensenator Heckelmann (CDU) und der Polizei: „Weil wir bei den ersten rechtsextremistischen Anzeichen so schnell gehandelt haben, konnte es hier nicht zu so etwas wie in Mölln und Solingen kommen.“

Die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John (CDU), und der Redaktionsleiter der auflagenstärksten türkischen Tageszeitung, Hürriyet, Ali Yumusak, sind anderer Meinung. „Die Polizei hat die Heime gut geschützt. Entscheidender sind jedoch die wachen Berlinerinnen und Berliner, die sich bei fremdenfeindlichen Vorgängen einmischen“, so John. Für Ali Yumusak ist es die logische Konsequenz des Zusammenwohnens vieler Ausländer auf engem Raum. „Ich weiß von etlichen Skinheads, die sich aus Angst vor den türkischen Jugendlichen die Haare wachsen gelassen haben.“ Doch die Angst vor Übergriffen, weiß Yumusak, sei seit Solingen da. „Die Feuerlöscher stehen nach wie vor in den türkischen Wohnungen“.

„Wir sind pessimistischer geworden“, beschreibt der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Mustafa Turgut Cakmakoglu, die Stimmung der in Berlin lebenden Türken seit Solingen. Statt endlich als anerkannte Minderheit das Recht auf doppelte Staatsbürgerschaft, zweisprachliche Schulbildung und gleiche Berufschancen zu bekommen, so der Vorwurf der türkischen Organisationen, würden die Immigranten weiterhin wie Menschen „zweiter Klasse“ behandelt und ausgegrenzt. Von der zunehmenden Arbeitslosigkeit seien vor allem die Frauen und Jugendlichen, aber auch immer mehr Männer betroffen. Der Anteil der Arbeitslosen ohne abgeschlossene Berufsausbildung beträgt laut Statistik der Ausländerbeauftragten bei Deutschen 45,1 und bei Ausländern 78,6 Prozent.

Der Sparzwang führt dazu, daß wichtigen Integrationsprojekten das Wasser abgegraben wird. Die Folge: Die Hoffnungs- und Chancenlosigkeit entlädt sich bei manchen türkischen Jugendlichen in Aggressionen, wie die Ausländerbeauftragte John feststellt. Die zahlreichen vom Senat aufgelegten Antigewaltprogramme wie Freizeit- und Sportangebote tragen vielleicht zur Schadensbegrenzung bei, lösen aber nicht das Grundproblem. Daß bei der Polizei inzwischen mehr als 100 ehemalige Ausländer nach Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft Beamte geworden sind, halten die türkischen Organisationen allenfalls für den Ausdruck guten Willens. Ihre Forderung nach einem Ausländerbeauftragten bei der Polizei wird von Heckelmann weiterhin hartnäckig ignoriert. Er richtete lediglich eine „Koordinationsstelle für polizeiliche Anliegen ausländischer Mitbürger“ ein. Auf dem Posten sitzt ein gutwilliger, aber gänzlich machtloser Beamter. Plutonia Plarre

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