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Double-bind

■ betr.: „Grenzen der Militanz“ (Antifa-Demo gegen Kriminalisie rung, Mordfall Kaindl: Selbstkritik an Solidarität mit Inhaftierten), taz vom 21.5.94

In der Vergangenheit hat die taz immer versucht, auch bei rechten Gewalttätern das familiäre und gesellschaftliche Umfeld derselben kritisch in Betracht zu ziehen. Bei den im Zusammenhang mit dem „Fall Kaindl“ inhaftierten kurdischen und türkischen ImmigrantInnen wird dies unterlassen, vielmehr versucht man, unterschiedliche Haltungen im antifaschistischen Widerstand gegeneinander auszuspielen.

Im April 1992 war Hoyerswerda schon geschehen, Mölln und Solingen sollten darauf folgen, das ganze Land wurde erschüttert von einer Terrorwelle, die praktisch in jeder deutschen Stadt Asylbewerberheime brennen ließ. Auch heute liest man tagtäglich von Anschlägen auf solche Unterkünfte, die nur deshalb nicht zu Todesfällen führen, weil die Betroffenen gelernt haben, damit zu leben und selbst für ihre Sicherheit zu sorgen. Rostock und Magdeburg haben aufs deutlichste gezeigt, daß dieser Staat nur allzu gerne dazu bereit ist, das Gewaltmonopol mit rechten Kadergruppen zu teilen, mit „rechten Jugendlichen“, vor deren „Marginalisierung“ die taz so gerne warnt. Rita Süssmuth, die Jeanne d'Arc der Regierung, ruft noch immer dazu auf, zivilen Widerstand gegen den Rechtsextremismus zu leisten. Das nenne ich wahres Double-bind!

Unterstützung der und Solidarität mit den Inhaftierten heißt vor allem eins: dafür Sorge zu tragen, daß die Angeklagten einen fairen, objektiven und nicht befangenen Richter finden, was bei dem derzeitigen Faschisierungsgrad des deutschen Staates nicht zu erwarten ist. Simpelste Grundlage jeglicher Rechtsprechung ist es, die Unschuld der Angeklagten anzunehmen, bis das Gegenteil bewiesen ist. Bei Angeklagten aus der antifaschistischen Bewegung scheint dies für die taz nicht mehr zu gelten. Im selben Stile wird von den Verantwortlichen in der Politik im Falle Magdeburg das Recht der ImmigrantInnen auf Notwehr diffamiert, indes Neonazis ungehindert und teilweise von der Polizei unterstützt Jagd auf Menschen machen können. Stefan Wirner

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