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Die Hamburger SPD wieder im Krisentaumel

■ Genossen-Streit und Funktionärs-Frust überschattet SPD-Reform-Parteitag

Wenn heute abend gegen 21 Uhr hunderttausende von Hamburgern sich genüßlich niederlassen, um auf dem Fernseher Bertis Mannen beim Spiel mit Boliviens Straßenkickern zu bewundern, wird der Frust in einer Wilhelmsburger Backsteinwagenburg noch zusätzlich anschwellen: Gut 350 SPD-Parteitagsdelegierte brüten zur selben Zeit im Bürgerhaus Wilhelmsburg über gleich vier handfesten Politkrisen: Führungskrise, Wahlkrise, Strategiekrise und Reformkrise haben die Elbsozis in eine depressive Grundstimmung versetzt.

“Ich rechne heute abend mit einem ausgesprochen schlechten Besuch“, meint ein Insider. Nicht wenige Funktionäre würden ihre Partei am liebsten vorläufig abschalten. Schon bei den vorangegangenen Landesparteitagen wuchs die Zahl der leeren Stühle stetig an. Unentschuldigtes Fehlen, früher eine Todsünde, wurde zum Funktionssport. Heute geht es in Wilhelmsburg gleich mehrfach ums Eingemachte: Die Europawahl will verdaut werden, die Streit zwischen den Parteirechten und der linken Mehrheit steht auf dem Programm, ein überfälliges Reformpaket zur Modernisierung der SPD soll diskutiert und abgestimmt werden.

Die Weigerung der Parteirechten, in der Führung der Partei mitzumachen, sorgt unverändert „für eine latent gereizte Stimmung“, wie Parteichef Jörg Kuhbier einräumt. Noch immer weigern sich die rechten Lagerhäuptlinge Volker Lange, Günther Elste und Petra Brinkmann, ihre Ämter im Parteivorstand anzutreten. Rechts-Juso Markus Schreiber und die brave rechte Kristel Gießlern wärenzwar bereit, das rechte Vakuum im Landesvorstand per Nachwahl zu füllen, werden derzeit aber von ihren Vormännern unter Druck gesetzt: Motto: Ja nicht aus der Boykottfront ausbrechen.

Die Eurowahl-Niederlage mit Worten zu bewältigen haben sich Hans-Ulrich Klose, Fraktionschef der SPD im Bundestag, und Kuhbier vorgenommen. Kuhbiers neues Geheimrezept heißt: „Wir müssen endlich Wahlkampf gegen die Grünen führen.“ Derweil wachsen auch in Voscheraus Umgebung die Zweifel, ob Rot-Grau, kürzlich noch als strategische Meisterleistung gefeiert, nicht ein politstrategisches Himmelfahrtskommando darstellt, welches schleunigst gestoppt werden sollte.

Lediglich die von der Parteiführung erheblich abgespeckte Variante der Parteireform dürfte von den Delegierten ohne große Diskussion akzeptiert werden. „Die wirklichen Probleme aber“, so eine Landesvorständlerin zur taz, „werden, wie in Hamburg üblich, mal wieder vorläufig unter den Teppich gekehrt.“

Florian Marten

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