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Nato und EU: Dabeisein ist alles!

Heute tritt Rußland der Nato-Partnerschaft für den Frieden bei, am Freitag unterzeichnet Präsident Jelzin ein Abkommen mit der EU / Doch die Bedeutung der Verträge ist ungewiß  ■ Aus Moskau Barbara Kerneck

Aus Angst, ein spätes Mädchen zu werden, und in der Hoffnung, ihren Partner nachträglich erziehen zu können, wird die Russische Föderation der Nato-Partnerschaft für den Frieden (PFP) am heutigen Mittwoch ihr Jawort geben. Bereits am Freitag folgt dann auf Korfu die Unterzeichnung des Partnerschaftsabkommens mit der EU. Rußland suche kein „warmes Plätzchen an der Sonne“, sondern Sicherheit, sagte Verteidigungsminister Gratschow bei den Verhandlungen Ende Mai in Brüssel. Wenigstens die Hochzeit wird nun an der Sonne gefeiert, und dabei überdeckt Pomp die leichte Verlegenheit. Rußlands Präsident Jelzin wird den EU-Vertrag in einem Prunkpalast unterzeichnen, den die Kaiserin Sissi ihrem Sohne einst baute, um ihn von Mesalliancen abzuhalten.

Ende Mai legte das „Russische Zentrum für Nationale Sicherheit und Internationale Beziehungen“ eine 33seitige Denkschrift zur Frage der russischen Nato-Beziehungen vor. Den Inhalt faßte die Iswestija zusammen: „Die Bedingungen der PFP bilden praktisch nur eine Hülse, die künftig noch mit konkretem Inhalt zu füllen sein wird. Dieser kann sich im Laufe der Zusammenarbeit russischer Spezialisten mit denen anderer Nato-Länder ergeben. Wir müssen jegliche Initiative in dieser Hinsicht begrüßen, wenn wir nicht den Zug verpassen wollen, der sonst die Reise in die Welt von Morgen ohne uns antritt.“

Dagegen schreibt Ex-UdSSR- Präsident Gorbatschow in der Zeitung Neswisimaja Gaseta: „Anstatt im Rahmen der KSZE einen europäischen Sicherheitsrat zu schaffen und ihn mit Friedenstruppen auszustatten, und erst danach die Möglichkeit der weiteren Nutzung von Nato-Strukturen innerhalb dieses Mechanismus zu prüfen, hat man die Prioritäten gewechselt, und damit wächst wie von selbst eine Institution, die zur Führung des kalten Krieges geschaffen wurde. Das ist die Fortsetzung der alten Logik des Hegemonismus, die der Westen weiterhin allen anderen aufzwingt.“

Die russische Regierung sieht die Sache anders. Die Forderung nach einem Mitspracherecht Moskaus bei Nato-Entscheidungen ließ man fallen. Auch der Wunsch, russische Truppen als Nato-Sicherheitskontingent bei Konflikten innerhalb der GUS anzuerkennen, wurde erst einmal zurückgestellt – auch mit Rücksicht auf jene GUS- Staaten, die bereits dem Bündnis beigetreten sind. Die Bereitschaft, sich konstruktiv am Aufbau des europäischen Sicherheitssystems zu beteiligen, hat Rußland Ende Mai durch einen konkreten Schritt unterstrichen: Sämtliche gegen die Länder des westlichen Bündnisses gerichteten Land- und Seeraketen wurden entprogrammiert. 3.500 Nuklearsprengköpfe sind nun für die Nato-Bewohner ungefährlich geworden.

Die gegenwärtige russische Führung weiß, daß sich der Anspruch auf die Großmacht-Extrawurst nur durch ein entsprechendes ökonomisches Potential untermauern ließe. Denn auch auf dem dritten bevorstehenden Treffen mit westlichen Staaten tritt Rußland als Schuldner auf und versucht doch gleichzeitig, die eigene Ausgangslage zu verbessern: beim Wirtschaftsgipfel der „Großen Sieben“ Anfang Juli in Neapel. Dort darf Boris Jelzin am 9. Juli am Eröffnungsbankett teilnehmen und wird dann während der Erörterung der ökonomischen Fragen an den Katzentisch verbannt. Erst zum Schluß, wenn es um die „politischen Punkte“ geht, darf er wieder mitreden, und zwar in den Fragen: Jugoslawien, Nordkorea, Osteuropa und Naher Osten.

Auch wenn der Präsident betont, daß damit schon der Schritt von der „G 7“ zur „G 8“ getan sei, vergleicht die Iswestija das jetzige Treffen mit dem Pariser G-7-Gipfel im letzten Jahr. Damals wurde Rußland unter dem Etikett „7 plus 1“ erst nach dem Ende der eigentlichen Verhandlungen angehört, und so meint der Kommentator der Zeitung: „Das Wesen der Sache wird sich in Neapel nicht ändern.“

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