: „Reistrommel“ fordert Straffreiheit für Opfer
■ Mißhandelte Vietnamesen würden bei Zusicherungen gegen Polizisten aussagen
In die festgefahrenen Ermittlungen gegen Berliner Polizisten wegen Mißhandlung vietnamesischer Zigarettenhändler könnte sehr schnell Bewegung kommen. Wie die Vorsitzende der Beratungsstelle für Vietnamesen „Reistrommel e.V.“, Tamara Hentschel, gestern auf Nachfrage der taz erklärte, wären zwölf Vietnamesen sofort zu einer Aussage beim ermittelnden Kripo-Kommissariat Amtsdelikte bereit.
Voraussetzung sei jedoch, so Hentschel, daß den geschädigten Vietnamesen genauso wie ihren betroffenen Landsleuten in Bernau eine Straffreiheit wegen des in Rede stehenden Kleinhandels mit unverzollten Zigaretten zugesagt werde. Außerdem müßten den Zeugen eine aufenthaltsrechtliche Duldung bis zur Hauptverhandlung sowie ein Heimplatz in Berlin versprochen werden. Ohne eine eindeutige Zusage des Staatsanwaltes oder der Innenverwaltung, so Hentschel, „werden wir keinem zu einer Aussage raten“.
Im brandenburgischen Bernau sind die Ermittlungen schon wesentlich weiter gediehen als in Berlin. Sieben beschuldigte Polzisten wurden bereits aus dem Dienst entfernt. Sie sollen vietnamesische Zigarettenhändler bei Verhören geschlagen und getreten haben. Bei Gegenüberstellungen wurden sie von den Opfern als Täter wiedererkannt. Ein Angestellter des Ordnungsamtes Biesenthal sitzt wegen sexueller Nötigung sogar in Untersuchungshaft.
Auch in Berlin soll es zu zahlreichen ähnlichen Vorfällen gekommen sein wie in Bernau. Tamara Hentschel von „Reistrommel“ schätzt die Zahl der Polizeiübergriffe gegen Vietnamesen auf mehrere hundert. Die mit zwei Beamten ausgestattete Sonderkommission „Vietnam“ hat inzwischen 30 Verfahren eröffnet, kommt mit ihren Ermittlungen allerdings nicht so recht voran. Der Grund: Aus den von „Reistrommel“ ausgehändigten Gedächtnisprotokollen gehen weder Name noch Wohnort der Opfer hervor. „Ohne eine beweiskräftige Vernehmung des Geschädigten kommen wir nicht weiter“, so Kommissariatsleiter Horst Klemmer. Seine Beamten seien unterdessen aber nicht untätig und würden alle Protokolle von Polizeiaktionen gegen Zigarettenhändler nach Hinweisen durchforsten. Auch die Fahrtenbücher der Einsatzwagen mit immer wieder genannten Kennzeichen seien angefordert.
Er habe Frau Hentschel persönlich zugesagt, daß die Vernehmung der Vietnamesen auch in den Räumen von „Reistrommel“ erfolgen könne und daß „der illegale Handel kein Thema ist“, so Klemmer. Da der Staatsanwalt dem Anwalt der „Reistrommel“ aber nur eine „Einzelfallprüfung“ zusagte, fordert Tamara Hentschel nun eine verbindliche Zusage für alle Opfer, möglichst schwarz auf weiß. Dann seien nicht nur zwölf, sondern 24 Vietnamesen umgehend zu einer Aussage bereit. Plutonia Plarre
Siehe auch Bericht Seite 19
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen