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„Unsere Kinder werden uns rächen“

■ Die Anhänger der gestürzten ruandischen Regierung ziehen schimpfend aus der französischen „Schutzzone“ nach Zaire

Cyangugu (wps) – Hunderttausende von Anhängern der ehemaligen ruandischen Regierung haben die Gegend um Cyangugu in der französischen „Schutzzone“ im Südwesten Ruandas verlassen, um in die zairischen Orte Bukavu und Kamanyola ins Exil zu ziehen. Anders als die eine Million Flüchtlinge in Goma sind sie nicht verzweifelt und panisch, sondern ausgesprochen selbstsicher. Sie kommen nicht barfuß die Straßen entlang, sondern tragen Schuhe und fahren im Auto.

Es handelt sich um die Basis des alten Regimes, die sich nach ihrer Niederlage im Bürgerkrieg eine neue Rolle sucht. Die Exilanten folgen Radioaufrufen der Führer der gestürzten Regierung, die „Schutzzone“ zu verlassen – gegen den Willen der Franzosen, die fürchten, daß die Zone mit dem Massenexodus ihren Sinn verlieren könnte. Die französische Armee ließ am Dienstag aus Hubschraubern um Cyangugu Flugblätter abwerfen, in denen sie an das Vertrauen der Bevölkerung appellierte und sie zum Bleiben aufrief. Aber diejenigen, die die Grenze von Ruanda nach Zaire überqueren, sind von den Franzosen enttäuscht. Paris, kritisieren sie, habe es nicht geschafft, ihre Niederlage im Bürgerkrieg gegen die RPF (Ruandische Patriotische Front) zu verhindern.

Der ruandische Zollbeamte Leonard hatte erst vor vier Wochen den Grenzübergang bei Cyangugu mit Willkommenstransparenten für die anrückenden französischen Soldaten ausgestattet. Nun steht er verbittert an der Grenze, spuckt auf das „doppelzüngige Frankreich“ und verdammt „diese ganzen Weißen, die uns verraten haben“. Vor seinem Zollhaus liegen einige wenige Maschinengewehre, die von ins Exil gehenden Ex-Regierungssoldaten zurückgelassen wurden. „Heute sind wir sieben Millionen“, sagt Leonard und meint das ruandische Mehrheitsvolk der Hutus. „Bald werden wir 17 Millionen sein. Unsere Kinder werden unser Schicksal rächen und dieses Land wiederbesetzen.“

Nach französischen Angaben hat über die Hälfte der 5.000 bis 6.000 Ex-Regierungssoldaten in der „Schutzzone“ bereits die Grenze nach Zaire überquert. Kommandant Venant Musonera sagt an der Grenze, er sei beauftragt, einen geordneten Rückzug nach Zaire zu organisieren: „Wenn die RPF hierherkommt, wird die Armee zum ersten Opfer.“ Denn, meint er, die neue Regierung in Kigali „wird die Franzosen nicht tolerieren, und daher werden die Franzosen schnell abziehen“.

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