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Leisten Mathe-Pauker mehr?

■ Gutachten: Die Lehrer-Stunden-Regelung ist antiquiert

Arbeitet ein Mathematiklehrer mehr als der Sportlehrer, weil dieser keine Hefte korrigieren muß? Leistet ein Gymnasiallehrer in der Oberstufe eines Nobel-Vorortes mehr als ein Hauptschullehrer mit vielen Problemkindern und hohem Ausländeranteil in den Klassen? Mit ihrem Vorstoß zur Neubestimmung der bisherigen Lehrer-Arbeitszeitregelung bescheren die Länder Bremen und Hessen den rund 700.000 Pädagogen in Deutschland mitten in der Ferienzeit turbulente Diskussionen.

In einem Gutachten im Auftrag von Hessens Kultusminister Hartmut Holzapfel (SPD) bezeichneten Erziehungswissenschaftler die Arbeitszeitregelung für Pädagogen als nicht mehr zeitgemäß. Die Fixierung allein auf die Zahl der wöchentlich zu gebenden Unterrrichtsstunden – je nach Schulform und Bundesland zwischen 23 und 28 Stunden – entspreche einem „überholten Berufsverständnis“. Die unterschiedliche Belastung durch Vor- und Nachbereitung der Schulstunde, Korrekturarbeiten r vor allem die pädagogische Arbeit von Problemkindern einschließlich Elternkontakte werden nur unzureichend berücksichtigt.

Nachbarländer wie die Niederlande, die Schweiz, Dänemark und Österreich beziehen diese pädagogische Arbeiten bei der Lehrerarbeitszeit längst mit ein. Ziel ist, daß Lehrer trotz langer Schulferien auf das Jahr umgerechnet nicht mehr, aber auch nicht weniger arbeiten sollen, als die übrigen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. In Dänemark können die Lehrer in Abstimmung mit Eltern und Schülern selbst über Zu- und Abschläge bei der Arbeitszeit entscheiden. In Österreich schlägt bei der Arbeitszeitberechnung die Sportstunde e mit 0,8 Stunden zu Buche, die Mathestunde dagegen mit 1,2.

Allen Bundesländer im Westen macht die Schulpolitik gegenwärtig wegen leerer Landeskassen und gewaltig steigenden Schülerzahlen große Sorge. In den nächsten zehn Jahren wächst die Zahl der Schüler von derzeit rund 9,1 Millionen auf bis zu 10,7 Millionen. Wollten die Länder den bisherigen Schulstandard halten, so müßten sie laut Berechnungen des Bildungsforschers Prof. Klaus Klemm (Essen) 100.000 neue Stellen schaffen. Auch die Lehrerorganisationen wissen, daß dies angesichts der Haushaltssituation unrealistisch ist.

Bremen und Hessen diskutieren deshalb nicht aus Selbstzweck mit den Lehrerorganisationen über die Neubestimmung der Arbeitszeit. Durch „Binnenoptimierung vorhandener Ressourcen“ will Holzapfel für eine gerechtere Verteilung der zu erwartenden Lasten unter den Pädagogen sorgen.

Um den Schülerzuwachs zu verkraften, haben die meisten Bundesländer bereits in den vergangenen Monaten die Klassen wieder vergrößert und Unterrichts- und Ergänzungsangebote gestrichen. Auch wurde den Lehrern pauschal Mehrarbeit verordnet: Den Anfang machte Berlin , es folgte Niedersachsen. In Hamburg ist die Verlängerung bislang nur angedroht.

Karl-Heinz Reith, dpa

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