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Polizeireserve schon wieder im Zwielicht

■ Zwei Hobby-Polizisten sollen bei einem Taxi-Mord erst einmal nur zugeschaut haben / Staatsanwaltschaft ermittelt

Die umstrittene Freiweillige Polizeireserve (FPR) kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus: Die beiden Reservisten, die am letzten Donnerstag den mutmaßlichen Mörder eines Taxifahrers auf frischer Tat festgenommen haben, sollen dem Täter erst einmal nur zugeschaut haben. Diesen Vorwurf haben Augenzeugen erhoben. Wie Justizsprecher Frank Thiel bestätigte, prüft die Staatsanwaltschaft inzwischen, ob sich die beiden Hilfssheriffs strafbar gemacht haben. Es bestehe der Verdacht unterlassener Hilfeleistung.

Die Polizei hatte die Festnahme des Mörders durch Mitglieder der Freiwilligen Polizeireserve in der vergangenen Woche noch gefeiert. Nach Darstellung des Leiters der zuständigen Mordkommission, Wolfgang Klaffer, sollen die beiden Reservisten am Donnerstag abend im Rückspiegel ihres Streifenwagens das Schlingern eines Taxis beobachtet haben. Ecke Urania-/Kurfürstenstraße seien die Hilfspolizisten aus ihrem Wagen ausgestiegen und hätten den Täter, der mit 20 Messerstichen den 39jährigen Taxifahrer getötet hatte, sofort festgenommen.

Wie Justizsprecher Thiel berichtete, widersprächen dieser Version aber anderslautende Zeugenaussagen. Laut Zeitungsberichten sollen die beiden Mitglieder der Reserve den Täter zwar mit ihrer Dienstwaffe bedroht, aber nicht eingeriffen haben – erst als der Mörder mit seinem Messer von dem Opfer abließ, sollen sie eingeschritten sein.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht sich erneut in ihrem Verdacht bestätigt, daß die über 2.300 Mitglieder der Polizeireserve überfordert seien. Der GdP-Vorsitzende Burkhard von Walsleben bekräftigte gestern die Forderung, die Reserve aufzulösen. „Es grenzt an Fahrlässigkeit, solche Leute mit Schußwaffen auf die Menschheit loszulassen“, sagte er gegenüber der taz.

Die beiden Verdächtigen dürfen trotz der Vorwürfe ihren Dienst wie bisher verrichten. Bevor die Staatsanwaltschaft nicht irgendein Ergebnis vorlege, gebe es keinerlei Anlaß für eine Suspendierung, sagte gestern Polizeisprecher Hans-Eberhard Schultz. Gegenüber der B.Z. hatte er allerdings eingeräumt, daß bereits am Tatort „Ermittlungsfehler“ begangen wurden. Die beiden Augenzeugen, die im Taxis saßen, seien erst zwei Tage nach dem Mord von der Polizei angehört worden.

Mangelnde Zivilcourage haben aber nicht nur Feierabend-Sheriffs, sondern auch Polizeiprofis. Am 30. August wird drei Männern – darunter einem Polizisten – vor dem Landgericht der Prozeß wegen des Verdachts der Strafvereitelung gemacht. Sie waren im November vergangenen Jahres in Friedrichshain Zeugen eines Taxi- Mordes geworden. Doch weil die drei mit einem privaten Umzug beschäftigt waren und keine Zeit verschwenden wollten, sollen sie sich – trotz Blinken und Hupens der Alarmanlage – nicht für das abgestellte Taxi interessiert haben. Die beiden mutmaßlichen Mörder konnten unbehelligt gehen.

Die Polizeireserve kann jedenfalls einen erneuten Skandal nicht gebrauchen: Sie ist derzeit Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Anlaß sind die Kontakte der Reserve zu rechtsextremistischen Organisationen. Im Zuge der Untersuchung ist darüber hinaus festgestellt worden, daß bei über 600 Mitgliedern strafrechtliche „Erkenntnisse“ vorliegen; dabei geht es um Körperverletzung, Raub und Unterschlagung, Waffenhandel, Vergewaltigung, Besitz von NS-Trophäen und die Vorbereitung von Sprengstoffverbrechen und Hehlerei. Dirk Wildt

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