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Im Knast von Amerika träumen

■ Kubanische Flüchtlinge werden ab sofort in den USA interniert / Läßt Castro alle ausreisen?

Washington/Havanna (AFP/AP/taz) – Nach fast 30 Jahren der freien Einreise für kubanische Flüchtlinge machen die USA jetzt die Schotten dicht. Ab sofort werden die Untertanen Fidel Castros bei ihrer Einreise in Sammellagern festgesetzt. Damit erhalten Flüchtlinge von der Insel nicht mehr wie bisher automatisch politisches Asyl. Sie sind damit den haitianischen Flüchtlingen gleichgestellt. Mit Ausnahme von Kriminellen durften seit 1966 alle eingereisten Kubaner in den Vereinigten Staaten bleiben.

US-Justizministerin Janet Reno erklärte in der Nacht zum Freitag in Washington, daß damit die Menschen davon abgehalten werden sollen, weiter über die Meerenge zwischen Kuba und Florida zu fliehen. Die Verfügung betreffe alle Neuankömmlinge sowie diejenigen Kubaner, die sich bereits in lagerähnlichen Einrichtungen in Key West befänden, sagte Reno im Weißen Haus. Dies gelte so lange, bis eine Entscheidung über das weitere Schicksal kubanischer Einwanderer gefallen sei. Im Weißen Haus wird auch erwogen, die Flüchtlinge in Drittländern unterzubringen. Außerdem sollen sie nach Kuba selbst zurückgebracht werden – allerdings nicht in die Hände Castros, sondern auf den US-Marinestützpunkt Guantanamo. Dort campieren bereits 15.000 haitianische Asylsuchende. Das Verteidigungsministerium ließ überschüssige Zelte und anderes Material nach Florida bringen, damit im Notfall weitere Auffanglager errichtet werden können. Was mit den kubanischen Flüchtlingen in den USA langfristig geschehen soll, blieb gestern unklar.

Das Ende der freien Einreise für Kubaner ist auch eine Reaktion auf den zunehmenden Flüchtlingsstrom von der Insel. Die US-Küstenwache fing im August 2.750 kubanische Bootsflüchtlinge im 145 Kilometer breiten Seegebiet zwischen Kuba und Florida ab. Insgesamt trafen in diesem Jahr bisher 7.200 Kubaner ein. Offenbar versuchen die kubanischen Behörden kaum mehr, Flüchtlinge in die USA zu stoppen. In der Nacht zum Freitag verließen Hunderte Kubaner die Bucht von Cojimar, etwa 15 Kilometer von der Hauptstadt Havanna entfernt, ohne von den kubanischen Sicherheitskräften daran gehindert zu werden. Zahlreiche Schaulustige feuerten die Flüchtlinge bei ihrer Abreise mit selbstgebastelten Flößen in Richtung Florida an.

Der kubanische Staatschef Fidel Castro hatte den Vereinigten Staaten nach Unruhen in Havanna Anfang August angedroht, Kuba werde die Flüchtlinge ungehindert ziehen lassen und eine Massenflucht provozieren, wenn die USA nicht ihre Einwanderungspolitik änderten. Der kubanische Staatschef beschuldigt Washington, die Kubaner zur Flucht zu ermuntern und so den kubanischen Staat zu schwächen. In den USA waren in den vergangenen Tagen zunehmend Befürchtungen laut geworden, daß sich eine Massenflucht wie im Jahre 1980, als 125.000 Kubaner innerhalb von fünf Monaten vom Seehafen Mariel in die USA strömten, wiederholen könnte. Tagesthema Seite 3

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