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Knüppeleinsatz mit System

■ Berliner Ex-Polizist beschuldigt seine früheren Kollegen einer Vielzahl von Übergriffen

Berlin (taz) – „Schlagen, treten – das kam immer wieder vor“, sagt der 22jährige Ex-Polizist Frank G. im taz-Interview. Er muß es wissen, er war dabei. Bis er im Juni aus dem Polizeidienst ausschied, lernte G. das System kennen, das in Berlin immer wieder zu Vorwürfen gegen die Polizei wegen gewalttätiger Übergriffe im Amt führt. Frank G.s Ausführungen widersprechen den Darstellungen des Berliner Polizeichefs Hagen Saberschinsky, es handele sich lediglich um wenige „schwarze Schafe“, die für den schlechten Ruf seiner Truppe sorgen. Diese Version hatte Saberschinsky zuletzt vorgetragen, nachdem in der letzten Woche Ermittlungen gegen zehn Beamte eingeleitet worden waren. Ihnen wird Körperverletzung und Strafvereitelung im Amt vorgeworfen.

Er jedenfalls, so beteuert Frank G., sei seit dem Ende seiner Lehrzeit mit der Prügelfreudigkeit seiner Kollegen in Berührung gekommen. Dabei werde nach außen der Schein des korrekten rechtsstaatlichen Vorgehens gewahrt – wenn Zuschauer dabei sind. „Aber das eine ist die Festnahme, das andere, was nachher passiert.“ In Polizeigewahrsam oder in den Mannschaftswagen seien Praktiken wie Schläge, Tritte oder das schmerzhafte Festziehen der Handfesseln völlig normal.

Dabei reicht den Polizisten das von Amts wegen zur Verfügung stehende Material nicht aus. Weil „die vorgeschriebenen Gummischlagstöcke ja nicht weh“ täten, hätten sich viele Beamte privat für ihre Einsätze gerüstet: mit verbotenen Holzschlagstöcken und speziellen Handschuhen. Solche Gegenstände wie etwa japanische „Tonfas“ waren auch in den Wohnungen und Diensträumen der Beamten der jetzt aufgelösten Kreuzberger Einheit gefunden worden. Der Bericht des ehemaligen Polizisten zeigt: keine Einzelfälle.

Nach Ansicht des Frank G. ist es die streng hierarchische Struktur der Berliner Polizei, die dazu führt, daß niemand aus dem einmal etablierten Prügelsystem am Rande oder außerhalb der Legalität ausschert. Wer Kritik oder auch nur Zweifel vorbringe, werde von Kollegen und Vorgesetzten regelrecht schikaniert.

Vorwürfe gegen Polizeibeamte wegen Mißhandlungen Gefangener und anderer gewalttätiger Übergriffe sind nicht neu. Nur ist es fast nie möglich, die Täter überhaupt anzuklagen. Der Korpsgeist der Polizei macht es in den meisten Fällen schon unmöglich, die Beschuldigten überhaupt zu ermitteln. Die Zahlen, die Berlins Polizeichef Saberschinsky für das Jahr 1992 vorlegt, sprechen da eine deutliche Sprache: Von insgesamt 591 Strafverfahren gegen Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt wurden 572 eingestellt, die übrigen 19 endeten mit Freispruch.

Vor dem Berliner Amtsgericht wurde gestern ein Polizeibeamter freigesprochen. Er war beschuldigt worden, einen Türken bei dessen Festnahme geschlagen und an den Handschellen über den Boden geschleift zu haben. Woher die später von einem Arzt attestierten Verletzungen des türkischen Mannes kamen, blieb ungeklärt. Bernd Pickert Seiten 3 und 10

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