: Schwaetzers Wasserleiche
■ Der Schürmannbau wird abgerissen Mindestens 360 Millionen Mark Schaden
Bonn (taz) – Der Architekt ist immer so gut wie sein Bauherr. Joachim Schürmann dürfte sich über seinen letzten Auftrag wohl nur die Haare raufen. Der vom Rheinwasser schwer geschädigte „Schürmannbau“, ursprünglich einmal als Bürokomplex für die Bonner Abgeordneten geplant, wird nun abgerissen. Die Spitzen der Koalition vereinbarten gestern unter der Leitung von Kanzler Helmut Kohl, jetzt Verhandlungen mit möglichen Investoren aufzunehmen. Auf dem Gelände, wo heute Stahlträger und Baukräne vor sich hin rosten, soll ein Neubau errichtet werden. Als künftiger Mieter ist die Deutsche Welle vorgesehen, deren 1.600 Mitarbeiter Mitte 1997 ihr asbestverseuchtes Funkhaus in Köln räumen müssen.
Bis zuletzt hatte Architekt Schürmann für sein Bauwerk gekämpft, das zwei Tage vor Heiligabend durch das Hochwasser in eine gigantische Naßzelle verwandelt wurde. Schürmanns oberste Bauleiterin, die nach dem Wasserschaden dem Rücktritt nahe Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer, ließ lapidar mitteilen, seine Mahnung habe in der Koalitionsrunde keine Rolle gespielt. Keiner der in Frage kommenden Investoren habe schließlich den Weiterbau empfohlen. Damit ist die Skandalchronik um die teuerste Bauruine in der Geschichte der Bundesrepublik um eine Pleite reicher.
Den Abriß des 360 Millionen Mark teuren, halbfertigen Rohbaus hatte Bauherrin Schwaetzer bereits Ende Juni dem Haushaltsausschuß des Bundestags als billigste Lösung vorgeschlagen. Ihre Taktik: die Lasten auf möglichst viele Adressaten zu verteilen. Wie teuer das Fiasko den Fiskus und damit den Steuerzahler kommt, darüber schweigt sich die Ministerin lieber aus. Eines steht jedoch fest: Billig wird auch der Abriß nicht werden. Die verbauten Millionen sind futsch, der Stillstand der Bauarbeiten verschlingt Monat für Monat rund 260.000 Mark, und die künftigen Investoren wollen das Gelände möglichst komplett geräumt übernehmen. Auch der Kaufpreis in Höhe von rund 100 Millionen Mark, der Schwaetzer noch vor zwei Monaten vorschwebte, gehört ins Märchenreich, weil die Grundstückspreise mit dem Umzug der Regierung fallen werden.
Daß das umstrittenste Bauvorhaben baden ging, dafür trägt Irmgard Schwaetzer nicht wenig Verantwortung. Brav hatte sie die überdimensionierten Baupläne weitergetrieben, als längst klar war, daß die Abgeordneten die Büros gar nicht mehr brauchen. Als die Fluten die Betonwanne hochdrückten, antwortete die Bauherrin mit konfusen Berichten; erst der Haushaltsausschuß stoppte die laufenden Bauarbeiten. Auch drei Wochen nach dem Wasserschaden hatte sie noch keine Erklärung parat – außer Schuldzuweisungen an andere Beteiligte. Das Wasser, so die Ministerin hilflos, habe der „liebe Gott geschickt“, die Unglücksstelle der Vorvorgänger Oskar Schneider (CSU) ausgesucht. Dann waren es die Baufirmen, denen sie beim Hochwasserschutz „grobe Fahrlässigkeit“ vorwarf, anschließend die staatliche Baudirektion, deren Präsidentin sie feuerte. Zu guter Letzt mußte sie sich vorhalten lassen, daß ihre Bundesbaudirektion die Sanierungskosten zu niedrig berechnet hatte, weil neben falschen Ansätzen auch ein Komma verrutscht war.
Jetzt wird erst einmal ein Abnehmer für das Gelände gesucht und um den Kaufpreis gefeilscht. Auch hier wird Irmgard Schwaetzer Federn lassen müssen, denn steigen die Interessenten wieder aus, bleibt das Gelände vermutlich, was es lange Zeit war: der teuerste Fußballacker der Republik. Erwin Single
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