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Bundesländer stoppen die Verfassungsreform

■ Länder wollen erweiterte Kompetenzen durchsetzen / Für Bundesinnenminister Kanther fördert der verlangte Minderheitenschutz die „Desintegration“

Bonn (AFP/taz) – Wenn es um die Interessen Bayerns geht, paktiert Ministerpräsident Edmund Stoiber sogar mit Rudolf Scharping gegen die CDU. Die Schwesterpartei, so wetterte er gestern vor der Sitzung des Bundesrates, habe in der Debatte um die Verfassungsreform ein „unmögliches Verhalten“ gezeigt, als sie im Bundestag Änderungen verabschiedete, in denen die Forderung der Bundesländer nach mehr Kompetenzen bei der Gesetzgebung nicht mehr enthalten war. Weil er sich das nicht gefallen lassen will, hat der Bundesrat gestern die gesamte Verfassungsänderung abgelehnt.

Einstimmig verwies die Länderkammer drei Gesetzespakete in den Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat, darunter auch zahlreiche unstrittige Grundgesetzänderungen etwa zum Schutz von Behinderten, zur Gleichstellung von Mann und Frau und zum Staatsziel Umweltschutz. Die Länder lehnten die nach jahrelangem Streit im Juni im Bundestag beschlossene Verfassungsreform auch deswegen ab, weil die Verankerung des Minderheitenschutzes im Grundgesetz fehlt. Bundesinnenminister Manfred Kanther begründete die Ablehnung des Minderheitenschutzes gestern mit den Worten, dies fördere die „Desintegration“ zwischen Deutschen und Ausländern und sei für die Bundesregierung nicht kompromißfähig. Diese Formulierung stieß bei SPD und Grünen-Politikern auf scharfe Kritik, Joschka Fischer (Grüne) wertete sie als „Entgleisung“.

Ursprünglich hatten die Parteien einen Kompromiß über die von den Ländern eingeforderten Grundgesetzänderungen erzielt. Kurz vor der Verabschiedung im Bundestag hatte die CDU jedoch überraschend ihre Zustimmung verweigert. Die Länder werfen dem Bund vor, immer mehr Kompetenzen an sich zu reißen und dadurch den Föderalismus auszuhöhlen. Sie verlangen unter anderem eine Änderung des Artikels 75, der die Rahmengesetzgebung des Bundes gegenüber den Ländern regelt. Dort sollen die Bundeskompetenzen im Hochschulwesen eingeschränkt werden.

In Artikel 72 soll der bisherige Absatz 2 gestrichen werden, wonach der Bund das Gesetzgebungsrecht unter anderem dann hat, wenn eine Angelegenheit durch einzelne Länder nicht wirksam geregelt werden kann. Statt dessen wollen die Länder erreichen, daß der Bund dort nur noch tätig werden darf, wenn damit die soziale und rechtliche Einheit des Staates hergestellt werden soll. Der Vermittlungsausschuß will sich bereits bei seiner Sitzung am 31. August und am 1. September mit der Verfassungsreform beschäftigen.

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