Durchs Dröhnland: Oft peinlich gut
■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Oft reicht es im Showbiz nicht, ganz profan nur Musikerin, Schauspieler, Tennisstar oder Fußballspieler zu sein. Abwechslung muß her, Madonna findet das genauso wie Cath Caroll, Jimmi Hartwig oder Yannick Noah. Oder Darryl Read, der in seinem sonstigen Leben ein leidlich guter Film-, Fernseh- und Theaterschauspieler ist und sich u.a. eine Auszeichnung für den „best actor“ bei den Filmefestspielen in Venedig ans Revers heften kann.
Das hindert ihn nicht, seit Jahren auch Musik zu machen: Marke handgemachter, erdiger, gut abgehangener Rock 'n' Roll. Damit holt Darryl Read nicht unbedingt die Sterne vom Himmel, sorgt aber mit seinem zweiten Album „Beat Existentialist“ für angenehm zwanglose und entspannte Momente. Mal ausgeruht, mal knarzig singt Read mit rauchig-tiefer Stimme seine Lieder von love, despair and emotions, covert ehrfürchtig, aber selbstbewußt Ray Davies, den „Brand New Cadillac“ und andere seiner favorites, und konnte sich bei drei Songs sogar der Unterstützung des immens legendären Keyboard-Spielers der Doors, Ray Manzarek, versichern. Ob der allerdings heute abend mit on stage ist, konnte bis zur Stunde nicht in Erfahrung gebracht werden.
Heute um 21 Uhr im Franz- Club, Schönhauser Allee 36–39, Prenzlauer Berg.
Wer von Bad Religion nicht genug bekommen kann, von NOFX noch nicht die Schnauze voll hat, ist auch hiermit gut bedient: Offspring geben sich keine Blöße, spielen ihre eins, zwei, drei Punk-Ditties genauso schnell und melodiös nach vorn wie ihre großen Brüder und sind angeblich mit einem Platin-Album in den Staaten genau so erfolgreich. Diese Musik kann nie nicht gefallen, viel Spaß!
Heute um 21 Uhr im Ex im Mehringhof, Gneisenaustraße 29, Kreuzberg.
Bei der folgenden Band fällt mir ganz spontan deren Namensvetter ein, Heinz Schenk, dessen Humor bei aller Volkstümlichkeit manchmal sehr subtil sein kann; was sich von der „fränkischen Gaudi-Combo und Oberspaßfraktion“ Heinz kaum sagen läßt, denn die rocken und texten in den ausgelatschten, biedermeierlichen Spuren des deutschen Spaß- Punks, so wie man ihn seit der Opel-Gang kennt und nicht mehr schätzt. Inhaltliche Kostproben erspare ich mir, nur sei so viel verraten: Wer da heute nachmittag hingeht, bekommt sicher einen Heinz-Aufkleber, auf dem warnend (!) steht: We hate Ketchup (in rot). Und so weiter und so lustig.
Am 3.9. um 15 Uhr auf dem Alexanderplatz, Mitte.
Ziemlich häufig beehrt uns ja mittlerweile die reibungslos funktionierende Körpermaschine Henry Rollins mitsamt seiner Rollins Band. Kompromißlos bis in die Haarspitzen ist sein Hardcore ja hinlänglich bekannt und beschrieben; wer ihn schätzt, nun gut, wer nicht, ist oft angeödet von Stumpfheit und jeglichen Auslassens von Melodie oder Wohlklang. Angesichts Rollins' maßloser Hingabe an Straightness, Energie, Körperkult und Gesundheit schaut man zudem nicht selten betreten und leidvoll an sich herunter, wird ganz unzufrieden, kippt sein Frischgezapftes in die nächste Ecke und gelobt (vielleicht) Besserung, Befreiung und Katharsis, yeah!
Erstaunlicherweise spielt mit Candlebox eine Vorgruppe, die Henry Rollins abgrundtief haßt, verachtet und der Lauheit zeiht, künstlerisch zumindest. Die machen genau den Sound, der scheinbar nie mehr sein Haupt zur Ruhe betten möchte: Pathetisch-großartige Rockmusik, wie man sie seit Pearl Jam und den Stone Temple Pilots seit vielleicht grad mal ein paar Wochen nicht mehr sooo ausgezeichnet und wohlkomponiert gehört hat. Da wird ganz, ganz tief in die Rock-Klischee-Kiste gegriffen, werden die vorgefertigten Gefühle tonnenweise verkauft und jeglicher Erneuerung entschiedene Absagen erteilt. Zugegebenermaßen hört sich das oft peinlich gut und einnehmend an.
Am 5.9. um 21 Uhr in Huxley's Neuer Welt.
Nicht totzukriegen ist auch die Abteilung Romantik und Tragödie, allgemein als dark wave be- und verkannt. Die englischen In The Nursery sind auf diesem Gebiet schon ganz alte Haudegen und brachten kürzlich mit „Anatomy Of A Poet“ ihr schon zehntes (!) Album heraus. Damit steigen sie wieder tief hinab in ornamental-artifizielle Grüfte, in denen man eigentlich seit hundert Jahren alle Hysmänner dieser Welt begraben glaubte: Bläser, Cellos, Pianos, Orgeln und was weiß ich nicht alles werden da zuhauf über die ewig langen, dumpfen Gitarrengrooves gelegt, und wenn man bei dieser Band, wie bei so vielen in diesem Genre, dem schwärzesten aller Kunstgewerbe, mehr an Dead Can Dance und Enigma als an die Pet Shop Boys oder die Creatures denken muß, zeugt das sicher nicht von Ahnungslosigkeit und falschen Assoziationen.
Am 6.9. um 21 Uhr im Knaack- Club, Greifswalder Allee, Prenzlauer Berg.
Schwer, schwerer, am schwersten geht es bei Kyuss zu, einer Langhaar-Combo aus Kalifornien mit Vorliebe fürs Sky Valley. Kyuss haben aufs gröbste gelernt, in den Tälern von Black Sabbath ihre Ausgrabungen zu machen, und das geht im Jahr 94 ziemlich brutal, aber auch sehr organisiert und ohne unnötige Brechungen zu. Die bratzen hochgradig subsonic, was das Zeug und alle Bässe (und Boxen) dieser Welt halten; dabei psychedelisieren sie ihren Sound auch schon mal in lilablaugelben Tönen, werden ganz dicht, breit und weit weg von allem Diesseitigen, so daß den Mannen von Monster Magnet angeraten sei, möglichst bald ihre Gitarren zu Pflugscharen zu werfen.
Am 6.9. um 20.30 Uhr im Loft im Metropol, Nollendorfplatz 5, Schöneberg. Gerrit Bartels
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