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Die große Flucht nach vorn

Die französische Staatsbank „Crédit Lyonnais“ hat Rekordverluste erwirtschaftet Jetzt wirbt sie mit einer Anzeigenkampagne um Vertrauen  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Zum „Crédit Lyonnais“ sind sie alle gegangen, wenn es um Risikogeschäfte ging: Der hemdsärmelige Bernard Tapie, brauchte die Bank für seinen Einstieg in das Turnschuhunternehmen „adidas“, der stockkonservative Robert Hersant, um seinem Zeitungsimperium weitere Blätter einzuverleiben, die Genfer „Sasea-Holding“ für ihre Immobilienschiebereien. Inzwischen sind die Kundschaften fast alle pleite. Ihre Bank, die größte Europas, geht nur deshalb nicht mit ihnen unter, weil ihr der französische Staat großzügig unter die Arme greift.

Ganze 4,5 Milliarden Franc (etwa 1,3 Milliarden Mark) Nettoverluste erwirtschaftete die Bank in den ersten sechs Monaten dieses Jahres. Ihr Chef Jean Peyrelevade ist trotzdem nicht unzufrieden. „Die Ergebnisse“, kommentierte er vergangene Woche die Bilanz, „lassen mich das Licht am Ende des Tunnels sehen.“ Im vergangenen Jahr hat Crédit Lyonnais mit dem Rekordverlust von 6,9 Milliarden Franc abgeschlossen.

„Wir sind nicht überall die letzten“

Was die Bank, deren Aktien zu 55 Prozent dem Staat gehören, nun besser machen will, erklärt sie in ganzseitigen Anzeigen. „Die Bank ändern – jetzt oder nie“, war die erste betitelt, die am letzten Freitag landesweit in allen Blättern erschien. Illustriert mit kritischen Karikaturen aus französischen und internationalen Medien, kündigt die Bank eine „Kulturrevolution“ an. Statt „kleinkrämerischer Bürokratie und Intransparenz“ gelobt sie „Dialog, Information und eine kollegiale Direktion“. Und sie propagiert „die erwachsene Beziehung zwischen Kunden und Bank“.

Teil zwei der Kampagne kündigt am folgenden Tag an, daß der Crédit Lyonnais künftig – „wie die amerikanischen Chase Bank und Citibank“ – mehr einnehmen als ausgeben will. Der dritte Teil der Flucht nach vorn erscheint unter der Überschrift „Wir sind nicht überall die letzten“. Wiederum ganzseitig und landesweit wuchert die Bank mit positiven Fakten: die Zahl ihrer Zweigstellen, KundInnen und täglichen Operationen.

Der Crédit Lyonnais ist nicht die einzige französische Bank mit Schwierigkeiten. Auch die Konkurrenz ist gerade dabei, sich von zwei „schwarzen Jahren“ vorsichtig zu erholen. „BNP“, „Société Générale“, „Crédit agricole“ und die anderen haben in der vergangenen Woche positive Bilanzen für das erste Halbjahr 1994 veröffentlicht. Das Vertrauen ist jedoch zerstört, die Kurse der Bankaktien sinken immer noch. Die US-Agentur Moody's sagt „langfristige Probleme“ voraus.

Im vergangenen November wurde der Chef des Crédit Lyonnais gefeuert. Praktischerweise dient er jetzt als Projektionsfläche für alle Fehlentscheidungen der Vergangenheit. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß sprach im Juli dieses Jahres von „unkontrollierter Spekulation“ mit existenzgefährdeten Unternehmen. Dem Staat wirft der Ausschuß „Versagen“ vor.

Bei den Gläubigern ist wenig zu holen. Der „Turnschuhunternehmer“ und Politiker Tapie ist pleite. Von den 1,3 Milliarden Franc, die ihm die Bank geliehen hat, wird sie nur einen Bruchteil zurückbekommen. Denn auch bei der Verpfändung des Tapieschen Vermögens hatte sich der Crédit Lyonnais verkalkuliert, statt der geschätzten 800 Millionen Mark ist es laut internationalen Auktionshäusern nur höchstens die Hälfte wert. Der „Zeitungsfresser“ Hersant schuldet der Bank bis zum Jahresende eine Milliarde Franc. Er hat zwar begonnen, gerade erst aufgekaufte Zeitungen in Polen und in der französischen Provinz abzustoßen, aber zum Abstottern seines Kredits reicht das noch lange nicht. Die „Sasea-Holding“ und ihre Immobilienspekulationen schließlich sind nur noch ein Fall für die Schweizer Justiz.

Ehrliche KundInnen brauche das nicht zu beunruhigen, versichert die Bank. Der Skandal habe auch seine guten Seiten, Crédit Lyonnais reformiere sich schon jetzt radikal, die Konkurrenz warte noch ab. Am 18. Oktober müssen die Angestellten Überstunden schieben. An diesem Tag – so die letzte Anzeige – dürfen die KundInnen persönlich nach der Sicherheit ihrer Einlagen fragen – auch nach Feierabend.

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