: Für den Kanzler ins Horn stoßen
■ Bands im Wahlkampf: Rock 'n' Roll für die CDU, Folkrock für die PDS und Funkpop für die Grünen / Alle Gruppen würden für die SPD spielen
Mit Rock 'n' Roll hatte das Ambiente in der Deutschlandhalle nichts zu tun. Auf der Bühne standen keine Verstärkertürme, keine Nebelmaschinen dampften, keine bunten Lichteffekte, und die Bühne sieht aus wie eine Vorgartenattrappe. Eigentlich nahm auch keiner der Zuschauer die Band wahr – bis sie die Rühmann- Hymne „Ein Freund, ein guter Freund ...“ anspielten: rhythmisches Klatschen. Der Kanzler kam von mehreren Spots und einer Menge Kameramänner und -frauen verfolgt in den Saal. Als Vor-Band von Helmut Kohl hatten es die Musiker von „Petty Coat“ nicht leicht. Irgendwie bemühte sich der Saxophonist Markus Küpper zwischen den Zeilen auch ständig, sich zu entschuldigen – dafür, daß sie für die CDU Wahlkampf machen.
„Nein, es ist weder eine große Ehre noch keine große Ehre, vor dem Kanzler aufzutreten“, sagte er, womit wohl alle Klarheiten beseitigt wären. Gefreut hat es ihn, daß die Union keine Blaskapelle für das Wahlkampfgroßereignis engagiert hatte, sondern was Modernes. „Petty Coat“ spielte brav die bekannten Rock-'n'-Roll- Stücke der 50er Jahre nach.
Mit dem Rebellischen dieser Zeit hat die Band aber nichts mehr zu tun. „Uns geht es um Spaß und Party, und nicht um Parteien“, sagte Küpper, „aber für Extreme wie die Reps und die PDS würden wir nicht auftreten.“
Für die PDS spielte aber die englische Band „Dostoyevskys“. Ihr Sänger Wayne Jackson hatte von der Partei eine englische Übersetzung des Programms bekommen. „Das hat sich ganz gut angehört. Wir praktizieren in der Band auch demokratischen Sozialismus. Das heißt, wir stimmen ab, wo und für wen wir spielen, und wir teilen danach die Gage“, sagte Jackson und lächelte.
Bei Auftritten für Organisationen wie amnesty international oder Greenpeace fühlen sich die Musiker wohler, weil sie dort für eine Sache und nicht für ein Programm spielen. In ihren Texten wimmeln auch nicht politische Parolen, sondern eher der Ausdruck eines Lebensgefühls, das sich mit linken Inhalten deckt. Der Illusion, mit ihrem Auftritt nun den Wahlkampf zu beeinflussen, geben sie sich erst gar nicht hin.
Die „Zöllner“ würden auch für die PDS in die Saiten greifen. „Wir galten eh schon immer als eine rote Band“, sagte Sänger und Namensspender Dirk Zöllner. Dafür hat es auch schon Absagen von Veranstaltern im Westen gegeben. Im hiesigen Wahlkampf rührten die „Zöllner“ die Trommel für Bündnis 90/ Die Grünen. Und ihre Vor- Band hieß Joschka Fischer.
„Ich traue ein Abwenden von der politischen Langeweile hin zu Utopien nur den Linken zu. Die PDS gehört auch in den Bundestag, deshalb würde ich auch für sie auftreten“, sagte Zöllner. Wenn die politische Aussage in seinen Texten klarer wäre, würde er sogar für die CDU und schlimmer spielen. „Aber wir machen zum Teil doch eher süßliche, leicht verdauliche Musik, bei der nicht jeder gleich weiß, wo wir stehen.“ Bei den Grünen zu spielen, reicht als politische Aussage.
Zwei Motive eint alle drei Wahlkampfbands: Sie spielen für Geld – und alle drei wären bereit, für die Sozialdemokraten in den Ring zu steigen. Sven Christian
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