: „Er hat uns beschissen“
■ Französischer Ex-Minister verhaftet
Paris (taz) – Alain Carignon, bis Juli französischer Kommunikationsminister, sitzt seit Mittwochabend in Lyon im Knast. Seit Monaten ermittelt man gegen den Gaullisten wegen des Verdachts auf Korruption und Bestechlichkeit. Carignon soll mehrere Millionen Francs von der „Lyonnaise des eaux“ entgegengenommen und das Unternehmen anschließend (1989) mit der – privatisierten – Wasserversorgung von Grenoble beauftragt haben. Unter anderem soll er mit dem Geld der „Lyonnaise des eaux“ seinen Wahlkampf finanziert haben.
Dem konservativen Regierungschef Edouard Balladur, in dessen Kabinett noch mindestens drei weitere der Korruption verdächtige Rücktrittskandidaten sitzen (Industrieminister Gérard Longuet, Verteidigungsminister, François Léotard und der Minister für industrielle Entwicklung, Alain Madelin), steht mit der „vorsorglichen Verhaftung“ seines einstigen Ministers das Wasser bis zum Hals. Nur sechs Monate vor den Präsidentschaftswahlen, bei denen Balladur selbst kandidieren will, muß er für neues Vertrauen in die politische Moral sorgen.
Am Mittwoch teilte seine Regierung mit, daß eine stärkere Kontrolle des Vermögens von Abgeordneten, eine bessere Überwachung der öffentlichen Unternehmen, an Bestimmungen für den Wechsel von Beamten in die Privatwirtschaft sowie eine Herabsetzung der zulässigen Wahlkampfetats erwogen werden.
Knacki Carignon bleibt vorerst Bürgermeister von Grenoble. 1983 hatte er die Stadt nach 20jähriger sozialistischer Regierung für die Konservativen gewonnen. Jener kommunalpolitische Erfolg schuf sowohl die Grundlage für seine politische Karriere in Paris als auch für das Ermittlungsverfahren, das jetzt gegen ihn läuft.
Carignons Stellvertreter im Rathaus von Grenoble hielt gestern einen Rücktritt des Bürgermeisters für unnötig, schließlich gelte der bis zu einer Verurteilung nach allen Regeln der Justiz für „unschuldig“.
Auf den Straßen der 150.000-EinwohnerInnen-Stadt war die Stimmung anders. Eine Hausfrau erklärte dem französischen Fernsehen: „Wir hatten Vertrauen zu ihm – er hat uns beschissen.“ Dorothea Hahn
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