: Hacke und Horrortrip
■ Champions League: Spartak Moskau-Bayern München 1:1 / Drama um die hintere Fußpartie des Lothar Matthäus
Berlin (taz) – Gebrüllt hat er diesmal nicht wie vor zwei Wochen, als ein leichtfertig zugelassener Konter von Dinamo Kiew im Münchner Olympiastadion fast einen Punkt gekostet hätte, aber der Kragen ist Bayern-Manager Uli Hoeneß vermutlich auch im Moskauer Luschniki-Stadion des öfteren geplatzt. Während Gruppenkonkurrent Paris St. Germain souverän seine Spiele gewinnt und schon 6:0 Punkte hat, gestaltet sich der erhoffte Durchmarsch der Münchner ins Viertelfinale der Champions League zu einem wahrhaften Horrortrip. Acht Teams werden im nächsten März als Crème des europäischen Fußballs glorreich und lukrativ ihren Meister ausspielen, acht andere dagegen mit dem Abschluß der Gruppenspiele am 7. Dezember in jener internationalen Anonymität versinken, der die Bayern seit ihrem letzten Europacup-Gewinn vor 18 Jahren verzweifelt zu entrinnen suchen.
Auch in Moskau stand der Absturz kurz bevor. Trotz einer guten Leistung des Deutschen Meisters führte Spartak Sekunden vor Schluß mit 1:0, was vor allem der widrigen Ausformung der Matthäusschen Hackenpartie zuzuschreiben war. Eine Niederlage in Moskau und Bayern hätte sich in den übrigen Spielen nicht mehr den kleinsten Ausrutscher erlauben dürfen, woran ja nicht mal der glühendste Fan glauben mag. Doch dann leisteten sich die Moskauer auf der linken Seite ein törichtes Foul an Sutter, und Babbel köpfte den Freistoß von Ziege zum Ausgleich ins Netz. Plötzlich schien den Bayern im schneedurchstöberten Moskau wieder die Sonne, nach der Niederlage von Kiew gegen Paris ist die Ausgangsposition in der Gruppe B nicht übel. „Das beste Spiel der Saison“, jubelte Hoeneß, noch etwas benebelt von der Aussicht, die 3,88 Millionen für das Erreichen des Viertelfinales doch einsacken zu können.
Verdient war der Punktgewinn allemal. Rußlands frischgebackener Meister kombinierte zwar ballsicher und gefällig, aber Torgefährlichkeit ging von den Spielzügen der Gastgeber kaum aus. Ganz anders die Bayern, bei denen Trainer Trapattoni seinem Kapitän Lothar Matthäus so langsam beizubringen scheint, wie der den Libero zu spielen hat. Jeder seiner häufigen Vorstöße brachte Gefahr, die größte in der 29. Minute, als Matthäus eine scharfe, halbhohe Flanke von Jorginho mit besagter Hacke genialst in die lange Ecke beförderte. Doch Keeper Tjapuschkin verdarb Matthäus mit langen Fingern dessen mutmaßlich schönstes Tor in langer Karriere. Auch Zickler und Sutter hatten gute Konterchancen, ließen aber Konzentration und Kaltblütigkeit vermissen. Es blieb beim 0:0.
Und zwar bis zur 77. Minute, als sich, nachdem das Spiel gehörig verflacht war, wieder die Matthäus-Hacke einmischte. Ziege hatte den Ball verloren, und Pissarew ließ sich aus unerfindlichen Gründen einmal nicht fallen, sobald er den Strafraum erreicht hatte. Das konnte niemand ahnen, am allerwenigsten Matthäus, der sich zu spät in den Schuß von Pissarew warf und den Ball diesmal erfolgreich mit der rechten Hacke ins Tor beförderte – ins eigene, versteht sich.
Babbels Kopfballtreffer in letzter Sekunde erinnerte dann verteufelt an frühere Bayern-Zeiten, als solch späte Ergebniskorrektur fast eine Selbstverständlichkeit war. Ob der alte Dusel allerdings zur Rückkehr in Europas Spitze genügt, müssen die restlichen Spiele gegen Moskau, in Kiew und gegen St. Germain erweisen. Spätestens im Viertelfinale wartet dann die Nagelprobe, vermutlich gegen Manchester United oder den FC Barcelona, die sich bei ihrem 2:2 ein grandioses Match lieferten. Lothar Matthäus sollte sich unbedingt ein Video von diesem Spiel besorgen, denn in Old Trafford glückte Manchesters Lee Sharpe genau jener Hackentrick zum 2:2, der dem Bayern-Kapitän in Moskau haarscharf danebenging. Matti
Bayern München: Kahn - Matthäus - Babbel, Kreuzer - Jorginho, Frey, Scholl, Nerlinger, Sutter (64. Sternkopf), Ziege - Zickler
Zuschauer: 25.000; Tore: 1:0 Pissarew (77.), 1:1 Babbel (90.)
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