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Begegnung mit dem Holocaust

■ Ein zentrales Holocaust-Museum soll im Land der Täter an die Opfer erinnern. Doch wie läßt es sich in die vorhandene Gedenkstätten-Landschaft integrieren? Wissenschaftler stritten darüber heftig am Wochenende.

Begegnung mit dem Holocaust

Der Soziologe Hans-Jürgen Häßler sieht aus wie ein gemütlicher Mann. Rund, rotwangig und unprätentiös. Hektik so scheint's, ist für ihn ein Fremdwort. Falsch, gründlich falsch ist dieser Eindruck. Hans-Jürgen Häßler verfolgt ein Ziel und um es durchzusetzen, steht ein ganzes Institut an seiner Seite. Gemeinsam mit dem „Institut für kulturelle Friedens- und Konfliktforschung“ streitet Häßler für ein zentrales Holocaust-Museum im Land der Täter. Ähnlich den Museen in Washington und Los Angeles.

Dieses Museum soll nicht mit den vielen Gedenkstätten an den Terrororten, den Mahnmalen und regionalen Museen konkurrieren. Es soll die Vernichtungspolitik und die Brutalität des Nationalsozialismus erstmals in Deutschland umfassend darstellen. Es muß, so ist im Gründungsaufruf zu lesen, „ein Platz der ernsten, erschütternden Begegnung mit dem Holocaust sein, gleichzeitig aber dazu aufrufen, sich überall gegen Unmenschlichkeit und Rassismus zu wenden“. Der Arbeitstitel des Projektes heißt: „Zentralmuseum gegen Verbrechen wider die Menschlichkeit. Arbeits-, Gedenk- und Forschungsstätte für Frieden und Humanität Holocaust-Museum“.

Seit Juni vergangenen Jahres hat Häßler über tausend Unterstützer gefunden. Viele von ihnen favorisieren Berlin als Ort des Gedenkens. Zum Unterstützerkreis gehören der saarländische Ministerpräsident Oskar Lafontaine (SPD), der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU), die Ex-Politiker Lothar Späth, aber auch Günter Verheugen und sogar Seine inzwischen verstorbene Kaiserliche Hoheit Prinz Louis Ferdinand von Preußen waren dabei. Zum inzwischen gegründeten Kuratorium zählen auch der Tübinger Theologe Hans Küng, die Judaistin Evelyn Goodman- Thau, die Psychoanalytiker Margarete Mitscherlich und Horst- Eberhard Richter, der Schriftsteller Günter Grass und die Mahnmalexpertin Lea Rosh. Am Wochenende traf man sich in Hannover und diskutierte zum ersten Mal Konzept und Arbeitsweise des geplanten Museums.

Eine Tagung voller Mißverständnisse. Während Häßler davon ausging, daß die erschienenen Wissenschaftler und die Vertreter von sogenannten Opferverbänden ihre ganze Kompetenz einsetzen, um den bereits existierenden Museumsentwurf mit Unterpunkten zu konkretisieren, begriffen umgekehrt die allermeisten der etwa dreißig Anwesenden das Treffen als Möglichkeit, grundsätzliche Ansprüche an ein deutsches Holocaust-Museum zu formulieren. Und dabei kristallisierte sich Unvereinbares heraus. Hans Küng möchte nicht, daß der Holocaust „absolutiert“, sondern im „Rahmen der Menschheitsgeschichte“ dargestellt wird. Der Mord an den Juden, den Roma und Sinti, an den religiösen und politischen Gegnern der Nazis dürfe nicht verharmlost, müsse aber in Beziehung zu anderen Genoziden gesetzt werden. „Die Schuld der Deutschen dürfe nicht verewigt“ werden, sondern Ziel sei „Versöhnung durch Vergebung“. Die „Retrospektive auf die tödliche Vergangenheit müsse mit der Prospektive auf eine lebendige Zukunft verbunden werden“. Das Museum daher vor allem ein Ort gegen die „Unmenschlichkeit“ werden.

Der vorliegende Museumsentwurf präzisiert diesen Ansatz durch den Themenkreis „Einführung“. Das Ausstellkungskonzept der ersten Räume verfaßte der Frankfurter Politologe Gerhard Armansiki, der die „Scheußlichkeiten“ in diesem Jahrhundert nur durch eine historisch-analytische Betrachtung der „Formen der Gewalt in Europa“ begreifen kann. Er meint, daß die Singularität des bürokratisch organisierten Mordens nur verstehbar sei, wenn auch die Entstehungsgeschichte deutlich werde. Kreuzzüge, Hexenverfolgungen und die Erziehung zum Untertanen im Absolutismus müßten dargestellt werden. „Dem NS-Terrorapperat blieb es vorbehalten,... die schwarze Logik europäischer Zivilisation ... zu exekutieren, wie sie sich durch die Jahrhunderte akkumuliert und ausgebildet hat“, sagte Armansiki.

Diesen Ansatz würde der Berliner Historiker Wolfgang Wippermann als „anthropologischen“ am liebsten beiseite wischen, denn er „relativiert die Singularität des rassistischen Massenmordes“. Wippermann lehnt auch den Begriff Holocaust ab, der beschränke sich ausschließlich auf die Ermordung der Juden und nicht auch auf die Roma und Sinti. Sein Vorschlag ist daher den Begriff „Rassismus“ soziolgisch auf alle von den Nazis als „undeutsch“ Ausgegrenzten zu erweitern und ein Museum für die „Opfer des nationalsozialistischen Rassismus: Forschungs- und Gedenkstätte für Frieden und Humanität“ zu gründen. Ein derart neuartiges Museum würde auch nicht in Konkurrenz zu Einrichtungen wie die „Topographie des Terrors“ oder den vorhandenen KZ-Gedenkstätten treten. Gedenkstätten wie die von Dachau, Neuengamme, Bergen Belsen, Sachsenhausen haben sich immer gegen ein zentrales Museum gewendet. Ihr Argument: die Grauen des Nazismus finde man wie das Gedenken an die Opfer ausreichend bei ihnen dargestellt. Auch das Frankfurter Fritz Bauer Institut lehnt eine zentrale Gedenkstätte ab. Geschichte und Wirkung des Holocaust werde hier schon umfassend untersucht. – Stellenweise stand zu befürchten, das ganze Projekt könne scheitern, so heftig wurde der Streit um Relativierung, Singularität, um Fragen wie: wer sind die Opfer, wer die Betroffenen, um anthropologischen, theologischen oder historischen Ansatz geführt. Es kam nicht zum Bruch. Der Wunsch nach einem zentralen Museum hielt alle zusammen, zu groß ist das Verlangen, die Namen von Tätern und Opfern zu nennen und dabei die Rolle der Zuschauenden zu betonen. Man werde gemeinsam weiterdenken und gemeinsam weiter um Unterstützer werben. Im Mai treffen sich alle in Berlin wieder.

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