piwik no script img

Anspruch und Wirklichkeit

■ betr.: „Ganz bestimmt kein Einzel fall“ (Brendan Smyth – Ein iri scher Pfaffe mißbrauchte Kinder), taz vom 5.11.94

Das war eine unjournalistische Haßtyrade gegen die Katholische Kirche in Irland, die dem Ernst des Vorfalls nicht angemessen ist. Kein sexuell „ungewöhnlich“ Veranlagter würde sonst in der taz derart verteufelt werden. Vielleicht solltet Ihr Leute auf Kirchenthemen ansetzen, die nicht in erster Linie ihre eigenen Probleme mit dieser Institution verarbeiten wollen. Herr Sotscheck sei daran erinnert, daß es irische und britische Mönche waren, die in Germanien unter anderem die Schreibkultur einführten. Olaf Lezinsky, Berlin

Je schockierender ein Verbrechen, um so schockierender das Gesülz derer, die dann meinen, jede sprachliche Endkontrolle fahren lassen zu können, um entrüstet eigene Ressentiments zu transportieren. Ein Mechanismus, sattsam bekannt aus der Kneipe an der Ecke, und wer mal einen Blick in Bild geworfen hat, weiß, was gemeint ist: Da werden Opfer noch mal mißbraucht.

[...] Daß dieser Beitrag nicht auf der Meinungsseite, sondern unter der Rubrik „Die Wahrheit“ erschienen ist, hat mich zuerst geärgert. Als ich dann aber entdeckte, daß er neben der „Gurke des Tages“ plaziert wurde, habe ich den Hintersinn verstanden. Thomas Niermann, Wesel

[...] Das hat nichts mit objektivem Journalismus zu tun! Das ist Polemik, die eine Intoleranz zeigt, die jedem Fundamentalkatholiken zur Ehre gereichen würde! Dieser Artikel ist ein Schlag ins Gesicht vieler junger Katholik/innen, die versuchen, diese Kirche zu verändern.

Vielleicht hätte Ralf Sotscheck „Das Portrait“ derselben Ausgabe lesen sollen: Da schreibt Erich Rathfelder sehr positiv über Kardinal Duljić. Es ist einfach unfair, die römisch-katholische Kirche nur auf gewisse Amtsträger zu beschränken. Religiöse Toleranz ist bei der so irre offenen taz wohl nicht gefragt. Anja Katharina Peters,

München

Folgt man den „Argumenten“ des Ralf Sotscheck, nach dem die katholische Kirche (er schreibt von Irland, meint aber – pars pro toto – die ganze Welt) wegen ihrer zögerlichen Enttarnung von Priestern, die des sexuellen Mißbrauchs an Kindern überführt sind, eine durch und durch verkommene Institution sei, so stellt sich die Frage, ob nicht neben der Kirche dann auch noch die gesellschaftlichen Institutionen wie Schulen, Vereine, Parteien und Familien abzuschaffen sind, wenn die Verantwortlichen solche Fälle wie auch anderes schweres Fehlverhalten zu verdecken suchen.

Folgt man aber nicht, sondern denunziert man diese weitverbreitete mitwissende Schutzstrategie gegenüber belasteten Gliedern als zu bekämpfendes Grundübel jeder menschlichen Organisationsform, bleibt von der Kirchenkritik nichts als eine formale Anlehnung an Methoden des Reichspropagandaministeriums nebst einem fauligen Beigeschmack, der sich, zumal wegen der plumpen Manier des Vortrags und der sich betont abwertend gebenden Wortwahl, geradezu wie von selbst einstellt. Wenn Heuchelei das Vortäuschen nichtvorhandener guter Eigenschaften ist, so gilt das auch für das Behaupten vorhandener schlechter, die wider besseres Wissen gleichsam – und besonders – allen Vertretern der katholischen Kirche zur Schädigung ihres Leumunds zugedacht werden, nur weil sich diese – zum tiefen Verdruß ihres Kritikers – für die Hüterin der Moral hält.

Wie schön für den, der seine Schlüsse durch Erschleichung des Beweisgrundes so treffend, simpel und lukrativ an den Menschen bringen kann! Anspruch und Wirklichkeit klaffen halt häufig auseinander, ob es sich nun um Vertreter der Kirche handelt oder um „coole Pfaffenfresser“. [...] Clemens Scharf, Mainz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen