: Fremde verstehen lernen
■ Heute beginnt die Expolingua, Deutschlands einzige Sprachen- und Kulturmesse in Berlin / Scharfe Kritik an mangelnder Unterstützung durch die Berliner Politik
„Sprachen sind ein wesentliches Element für die Zukunft der Europäischen Union“, sagt Benno Risch vom Übersetzungsdienst der Europäischen Union in Brüssel vor der Eröffnung der Expolingua. Heute beginnt in Berlin Deutschlands einzige internationale Sprachen- und Kulturmesse. 104 Aussteller aus etwa 25 Nationen präsentieren sich im Ausstellungszentrum unterm Fernsehturm am Alexanderplatz. „Eine Messe, die sich um die Vermittlung von Sprache und Kultur kümmert“, betont Risch, „ist von zentraler Bedeutung.“ Bei Europa denke man zwar eher an die Wirtschaft oder den Ecu, doch spielten gerade Sprache und Kultur eine entscheidende Rolle. Denn sie seien Ausdrucksform der Identität der einzelnen Länder in der Europäischen Union. Da es in Europa nie eine „Herrschaftssprache“ geben werde, komme der Sprachenpolitik eine wichtige Rolle zu.
Risch begrüßt, daß die Expolingua seit drei Jahren in Berlin stattfindet und nicht mehr in Frankfurt am Main. Denn so sei die Messe nicht nur in der deutschen Hauptstadt, sondern auch in der neuen Mitte Europas angesiedelt. Ein wichtiger Aspekt angesichts der Ausdehnung der Europäischen Union nach Norden und Osten. Deshalb müßten nicht nur die großen Sprachen, sondern auch die der neuen Partner mehr vermittelt werden.
„180 verschiedene Nationalitäten sind in Berlin registiert. Das macht vielen Menschen angst“, meint Elke Pohl, Pressereferentin der Berliner Ausländerbeauftragten. „Eine Verständigung setzt das Sprachenlernen voraus. Mit ihrem vielfältigen Angebot kann die Expolingua einen wichtigen Beitrag zur Verständigung zwischen den verschiedenen Kulturen leisten.“ Neue Technologien wie das Tele- Learning (s. Seite 31) eröffnen zudem neue Perspektiven für einen europaweiten Sprachunterricht über Telekommunikation.
Scharfe Kritik üben die Organisatoren der Expolingua wegen der mangelnden Unterstützung der Sprachen- und Kulturmesse durch die Berliner Politik: Daß der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen bis heute nicht bereit sei, die Messe zu eröffnen, während der französische Staatspräsident François Mitterrand auf der Expolangue in Paris sogar einen eigenen Stand habe, sei Zeichen für die fortdauernde Provinzialität der Berliner Politik.
„Angesichts der Ausdehnung der Europäischen Union nach Osten könnte sich Berlin dank seiner Lage zu einer großen Sprach- und Kulturzentrale Europas entwickeln“, meint Benno Risch. „Die Stadt kann zum Standort der größten Sprachen- und Kulturmesse Europas werden. Werden sich Stadt und Senat der Bedeutung der Messe nicht allmählich bewußt, wird Berlin seine Chance vertun.“ adi
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