: Vor der Tiefgarage warten auf das Glück
■ Vor der MTV-Show am Brandenburger Tor: Fans fieberten vor den Absperrungen und hofften auf einen Blick auf die Stars
Wenige Meter vor dem Brandenburger Tor endete gestern die normale Welt: Eisengitter und Wachmänner schirmten das große Zelt dahinter hermetisch ab. Denn der Zugang zum Reich von MTV, der Welt erfolgreichster Musiksender, war nur den handverlesenen 2.500 geladenen Stars gestattet, die sich bei der Verleihung der ersten europäischen MTV-Awards selbst feierten. Für das Hilton-Hotel, wo viele Stars residierten, galten die gleichen Sicherheitsmaßnahmen.
Hunderte von jungen Fans aber störte das überhaupt nicht. Bevor das Konzert überhaupt begann, hatten sie schon den Höhepunkt des Tages erlebt. Der Gendarmenmarkt, normalerweise in langweilige Stille gehüllt, war nicht wiederzuerkennen. Seit den frühen Morgenstunden belagerten Hunderte von Kids das Hilton, um Mark, Robbie, Jason, Howard oder Gary von Take That oder Prince leibhaftig zu sehen – oder eben nur die Limousine, die die Angebeteten zum Brandenburger Tor kutschierte. Die vorwiegend weiblichen Fans schrien sich die Seele aus dem Leib, daß es bis zur U-Bahn-Station Mitte zu hören war.
Die 16jährige Jaqueline hatte sich die ganze Woche krankschreiben lassen. Denn Jaqueline hatte erkannt, worum es geht: „Das ist weltbewegend.“ Der Eingang zur Tiefgarage wurde zum Mittelpunkt der Welt. Geschrien wurde selbst bei ausfahrenden Wagen, die nicht einmal den Blick ins Innere erlaubten. „Die Typen sind so geil“, sagte Katharina über Take That. „So süß“, ergänzte ihre Freundin Sarah. Sie wäre bereit, auf Weihnachtsgeschenke und sogar ihren Schlüpfer zu verzichten, sagte Yvonne – alles für eine Konzertkarte.
Auch am Brandenburger Tor waren unzählige vorwiegend weibliche Fans bereit, den Wachschutzmännern am Brandenburger Tor ein Vielfaches ihres Taschengeldes oder „einfach alles“ zu geben, um die Absperrgitter passieren zu dürfen. Eine Schülerin aus Marzahn will später einmal sagen können, daß sie dabeigewesen ist, auch auf die Gefahr hin, in Ohnmacht zu fallen.
Um aber all den Fans von Take That, Aerosmith, Eros Ramazotti und anderen das Gefühl zu geben, doch irgendwie bei der ultimativen Megaparty dabeizusein, wurden weder Kosten noch Mühe gescheut: alle Kids, die am Nachmittag vor dem Brandenburger Tor auf die Ankunft von Take That warteten, bekamen Probehefte von Bravo geschenkt.
Die Werbeagentur schickte die Glücklichmacher betont sportlich ins Feld: der 20jährige Martin lief in einem luftigen American-Football-Trikot mit der Nummer 75 zwischen Absperrungen, Baustellen, Unter den Linden und Wilhelmstraße entlang, um seine 3.000 Exemplare an Fans und Autofahrer zu verteilen. Die 20jährige Bianca mußte die bunten Heftchen auf supermodernen Rollschuhen verteilen. Sie war davon gar nicht begeistert. Aber die Agentur habe gesagt, das wäre sportlicher. Ihr selbst waren die Dinger eher hinderlich. Barbara Bollwahn
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