piwik no script img

Straßenkämpfe wie schon lange nicht mehr

■ Karoviertel: Massive Proteste gegen Bauwagen-Vertreibung / Jetzt wird verhandelt

Barrikaden, Steinhagel, Leucht-spurmunition, Tränengas, brennende Autos – im Karoviertel ist es in der Nacht zu Freitag zu den schwersten Unruhen seit der Räumung der Lama-Häuser gekommen. Mehrere hundert Menschen machten ihrem Unmut über die vom Oberverwaltungsgericht (OVG) auf Antrag des Bezirksamts Hamburg Mitte verfügte Räumung der Bauwagenburg „Bambule“ Luft und lieferten sich mehrere Stunden lang Straßenschlachten mit der Polizei.

Begonnen hatten die Ausschreitungen gegen 22 Uhr unmittelbar nach einem Plenum, auf dem über die drohende Räumung der „Bambule“-Gefährte beraten worden war. Barrikaden wurden errichtet (siehe auch Seite 2). Erst gegen zwei Uhr nachts kehrte wieder Ruhe im Karoviertel ein, nachdem Innensenator Hartmuth Wrocklage mit den „Bambule“-Bewohnern gesprochen und ihnen Verhandlungen über eine Lösung zugesagt hatte.

Diese Gespräche sollen umgehend von der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) geführt werden. Steb–Sprecher Bernd Meyer zurückhaltend: „Es kann aber keine Entscheidung über den Bezirk hinweg geben. Man muß mit dem Bezirk reden – und das ist eine schwierige Sache.“ Nach taz-Informationen werden die Verhandlungen von der Steb-Staatsrätin Barbara Maier-Reimer geleitet.

Die GAL forderte gestern, die Anregung im OVG-Urteil ernst zu nehmen, das den Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert hatte. GALierin Susanne Uhl: „Das war ein Wink mit dem Zaunpfahl, zu prüfen, ob das Bauwagengesetz noch in die heutige Zeit paßt.“ Heftige Kritik wird derweil an der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) laut – zuständig für das Sanierungsgebiet: „Die Randale hätte vermieden werden können, wenn die Steg einmal mit den Bambule-Leuten gesprochen hätte“, so ein Szene-Kenner.

Die Polizei war Donnerstagabend von den Ausschreitungen völlig überrascht worden. Als die ersten Streifenwagen eintrafen, wurden die Beamten sofort mit Steinen und Leuchtkugeln eingedeckt. Teilweise waren Kabel als Stolperfallen über die engen Straßen gespannt. Im Verlauf der Nacht kam es immer wieder zu Straßenschlachten, bei denen die ProtestlerInnen erstmals auch Tränengas einsetzten. Obwohl die Polizei Scheinwerferwagen aufgestellt hatte, gerieten die vorrückenden BeamtInnen immer wieder im Dunkeln in die Defensive, mußten dem Steinhagel weichen oder an den Barrikaden ausharren. Festgenommen wurde niemand. 22 Polizisten wurden verletzt. Eine junge Beamtin wurde durch einen Stein an der Brust getroffen und sackte bewußtlos zusammen. Erst im Krankenhaus stellte sich die Verletzung als nicht so schwerwiegend heraus. „Ausschreitungen in dieser Intensität haben wir lange nicht mehr erlebt“, konstatierte ein Polizeisprecher. Kai von Appen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen