: Öko-Marketing - Schlagwort oder Konzept?
■ Das Marketing scheitert oft schon im Ansatz der Situationsanalyse / Auch die Schulung von Verkäufern ist dringend nötig
Die ökologischen Grenzen unserer Konsum- und Wegwerfgesellschaft sind in bedrohliche Nähe gerückt. Nicht zuletzt das kommerziell ausgerichtete Marketing wird als Hauptverursacher der heutigen Probleme angeklagt, weil immer neue Scheininnovationen und Verpackungsvarianten in gesättigten Märkten für neue Umsatzimpulse sorgen. Dieser Kritik können sich die Marketingstrategen kaum entziehen. Denn oft ist im Kampf um Marktanteile die Ökologie auf der Strecke geblieben. Bietet das Öko- Marketing nun einen Ausweg aus diesem Dilemma, oder ist es doch nur das Schlagwort einer neuen Verkaufsvariante?
Öko-Marketing sollte ein umfassendes glaubwürdiges Konzept des Umweltmanagements von Unternehmen sein. Öko-Marketing hat die Aufgabe, bei der Planung, Koordination, Durchsetzung und Kontrolle aller Aktivitäten nach dem Grundsatz „von der Wiege bis zur Bahre“ Umweltbelastungen zu verringern oder zu vermeiden. Über die Berücksichtigung ökologischer Ziele hinaus gilt es jedoch, die Bedürfnisse der Konsumenten zu befriedigen und auch noch Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Das bedeutet: Als Voraussetzung von Öko-Marketing bedarf es zunächst einer umfassenden Situationsanalyse. Es gilt zu erkennen, welchen Risiken und Chancen das Unternehmen im Umweltschutz ausgesetzt ist. Anschließend sind konkrete Ziele zu formulieren und längerfristige Pläne hinsichtlich des Marketingverhaltens zu entwickeln. Erst dann sind Produkt- und Markengestaltung, der Kundendienst, die Kommunikations-, Preis- und Vertriebspolitik an den ökologischen Erfordernissen auszurichten. Öko-Marketing-Konzepte, die sich nicht an diesen Aufgaben orientieren, geraten in Gefahr, zum Pseudo-Öko-Marketing zu degenerieren. Glaubwürdigkeit und Markterfolg können damit gefährdet werden.
Maketingkonzepte scheitern oft bereits im Ansatz einer sorgfältigen Analyse. Vielfach werden wichtige Einflüsse des Marktes nicht erkannt oder falsch beurteilt. Auch eine verkürzte Perspektive hinsichtlich der ökologischen Probleme im gesamten Lebenszyklus der Produkte führt möglicherweise zu falschen Entscheidungen. Eine wichtige Rolle bei der Marktanalyse spielt das umweltorientierte Kaufverhalten. Nach den Ergebnissen verschiedener Marktforschungsinstitute stagniert das Umweltbewußtsein der Bundesbürger auf hohem Niveau. Über zwei Drittel der Deutschen werden in den Studien zwar als umweltbewußt eingestuft, doch bei der Interpretation dieser Marktforschungsdaten ist Vorsicht geboten. Erfahrungsgemäß schlägt sich das Umweltbewußtsein nicht gleichermaßen in einem umweltorientierten Kaufverhalten nieder. Insbesondere dann, wenn umweltgerechte Produkte einen Mehrpreis vom Kunden verlangen, sinkt die Bereitschaft der Bundesbürger, Öko- Produkte zu kaufen, sogar auf unter zehn Prozent.
Aber nicht nur das umweltorientierte Kundenverhalten, sondern auch der Wettbewerb bildet einen wichtigen Faktor der Situationsanalyse. Wenn der Handel als ökologischer „gate keeper“ umweltgerechte Produkte nicht listet, haben sie keine Chance, zum Kunden vorzudringen. Der Öko-Flop ist programmiert.
Ein wichtiger Faktor ist die Beratung im Handel selbst. Das Scheitern von umweltgerechten Produkten – sei es im Mode- oder im Haushaltsgerätebereich – kann besonders auf den fehlenden aktiven Verkauf im Handel zurückgeführt werden. Einerseits gibt es kaum noch eine persönliche Beratung der Kunden, so daß Produkte über die klassische Werbung vorverkauft werden müssen. Ist der persönliche Verkauf noch möglich, scheuen sich Verkäufer oft, mit den ökologischen Vorteilen der Produkte zu argumentieren, weil sie dann meist den Pfad ihrer Kompetenz verlassen müssen. Wie sollte auch ein Verkäufer dem Kunden mit Öko-Rat zur Seite stehen, wenn nicht einmal Öko-Bilanzen und Experten klären können, welche Produkte ökologisch vorteilhafter sind als konventionelle? Das Öko-Marketing ist also gefordert, die Situation des Verkäufers im Handel bei der Planung ökologieorientierter Marketingkonzepte mit zu berücksichtigen.
Ausgehend von einer sorgfältigen Situationsanalyse, sind konkrete Ziele für das Öko-Marketing zu formulieren. Ohne Ziel ist eine Kontrolle nicht möglich. Von daher setzt dort die berechtigte Kritik des „ziellosen Durchwurstelns“ an, wo Marketingmanager nicht konkret über ihre ökologischen Ziele Auskunft geben können.
Selbstverständlich müssen auch die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Doch ökologische Ziele ermöglichen nur dann ein offensives Unternehmensverhalten, wenn sie sich über diese gesetzlichen Umweltstandards hinausbewegen. Empirische Untersuchungen des Instituts für Marketing der Universität Münster haben bewiesen, daß erfolgreiche Öko-Marketing-Konzepte sich dadurch auszeichnen, daß Unternehmen offensiv Umweltprobleme gelöst haben, bevor der Gesetzgeber Vorschriften erlassen hat.
Öko-Marketing erfordert des weiteren eine konsequente Ausrichtung aller Marketinginstrumente an den ökologischen Erfordernissen. Ausgangspunkt ist die Produktgestaltung, denn hier muß durch eine umweltgerechte Produktentwicklung sichergestellt werden, daß zum Beispiel keine umweltgefährdenden Stoffe verwendet werden und die Produkte über die gesamte Lebensdauer eine Vermeidung oder Verringerung von umweltproblematischen Emissionen erreichen.
In den nächsten Jahren wird angesichts des im Juli verabschiedeten Kreislaufwirtschaftsgesetzes insbesondere das recyclinggerechte Produkt besondere Beachtung finden. Neben der Produktentwicklung ist bei der Markenpolitik zu entscheiden, ob neue Umweltmarken eingeführt werden oder ob ein Unternehmen sein Sortiment durch weitere Marken und Öko-Labels ergänzt. Denn gerade dann, wenn für die Konsumenten die Beurteilung neuer umweltgerechter Produkte schwierig erscheint, können die von neutralen Institutionen vergebenen Öko- Labels helfen, Vertrauen beim Konsumenten aufzubauen.
Auch der Kundendienst bietet sich bei Gebrauchsgütern an, um nach dem Verkauf der Produkte durch eine entsprechende Wartung, Schulung oder Reparatur eine lange und umweltgerechte Nutzung sicherzustellen.
Ein weiteres Instrument ist die Preispolitik. Aufgrund der hohen Sensibilität der Konsumenten führt ein Mehrpreis für Öko-Produkte zu erheblichen Kaufbarrieren. Durch Mischkalkulationen, Finanzierungsangebote oder den Hinweis auf staatliche Finanzierungshilfen, zum Beispiel bei alternativen Formen der Energiegewinnung, können diese Barrieren reduziert werden.
Veränderte Anforderungen sind auch an die Vertriebspolitik und die Logistik zu stellen. Der aktive Verkauf beginnt beim firmeneigenen Außendienst und beim Verkäufer im Handel: Schulungsprogramme sind deshalb zu forcieren.
Auch die Logistik bietet sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht noch erhebliche Rationalisierungspotentiale. Ansatzpunkte liegen in intelligent kombinierten, umweltverträglichen Transportmitteln wie Bahn und Binnenschiffahrt. Auch ist eine effiziente Nutzung des Lastwagenverkehrs, zum Beispiel durch Doppelstockverladung, für die Flächendistribution anzustreben. Nicht zuletzt gilt es, über eine glaubwürdige Kommunikation die umweltorientierten Maßnahmen des Unternehmens dem Kunden und der Öffentlichkeit zu verdeutlichen. Hierbei hat sich in den letzten Jahren gezeigt, daß in einem Werbemarkt, in dem einschlielich Direktmarketing mehr als 40 Milliarden Mark ausgegeben werden, auch die umweltorientierte Werbung nur dann informieren kann, wenn sie über eine emotionale Gestaltung Aufmerksamkeit erregt. Doch bleibt trotz aller Gestaltungselemente die Glaubwürdigkeit in der Öko-Kommunikation das höchste Gebot. Auch der häufig vergessene Dialog mit kritischen Gruppen ist in den Aufgabenbereich des Öko-Marketing neu aufzunehmen.
Fazit: Richtig verstandenes und praktiziertes Öko-Marketing ist mehr als nur ein plakatives Schlagwort. Manfred Kirchgeorg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen