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1494: Das vergessene Jubiläum

■ Mit dem Vertrag von Tordesillas vor 500 Jahren begann das Zeitalter des Kolonialismus

Christopher Kolumbus verirrte sich im Jahre 1492 in die Karibik und wurde anläßlich des 500. Jahrestages dieses Ereignisses aufwendig geehrt. Unter welchen politischen Umständen die Entdeckungsreisen des Christopher Kolumbus stattfanden, ist jedoch heute kaum von Interesse. Nachdem durch andere Ereignisse der Grundstein für die weltweite Hegemonie Europas gelegt war, begann 1492 eine grausame Entwicklung, die sich durch die kommenden Jahrhunderte ziehen sollte. Es war der Beginn der Ausrottung und Unterdrückung zahlloser Völker im Rahmen der Kolonialisierung. Die Weichen hierfür wurden in den Jahren nach der Entdeckung gestellt, und die Jahrestage der politischen Entscheidungen sind genauso denkwürdige Jubiläen wie die Entdeckung selbst. Die landläufige eurozentristische Sicht der Dinge läßt dies nur leider meist unter den Tisch fallen.

Der spanische Gesamtstaat war erst 1469 durch die Heirat von Isabella I. von Kastillien und Ferdinand II. von Aragon und die Zusammenführung ihrer Königreiche entstanden. Gemeinsam eroberten sie im Jahr von Kolumbus' erster Reise die letzte maurische Bastion auf der iberischen Halbinsel, das Königreich Granada, und beendeten damit die Reconquista. Isabella und Ferdinand galten als katholische Könige und versuchten durch die Einführung der Inquisition in Spanien ihre Macht gegenüber Adel und Bischöfen zu stärken. Nach den Jahrhunderten der Kreuzzüge erfuhr die Verfolgung Andersgläubiger in der Inquisition ihre Fortsetzung, auch wenn die Verfolgung von Mauren und Juden der Landwirtschaft und dem Handel schwer schadete.

Die Entdeckung des amerikanischen Kontinents fiel also in eine Zeit, in der Spanien militärisch nicht mehr durch den Kampf gegen die Mauren gebunden war. Der verschwenderische Lebenstil am spanischen Hof verursachte einen hohen finanziellen Bedarf. Die katholische Kirche lieferte durch ihre rücksichtslose Einstellung gegenüber Andersgläubigen die moralische Rechtfertigung zur Unterwerfung anderer Völker.

Ein Jahr nach der Entdeckung engagierte sich der damalige Papst Alexander VI. und rief in mehreren von ihm verfaßten sogenannten Papstbullen zur weltweiten Ausbreitung des Christentums und zur Unterdrückung barbarischer Völker auf (siehe Zitate). Zu diesem Zweck wurden die Könige der damals wichtigsten europäischen Mächte, Spanien und Portugal, mit weitreichenden Rechten und Privilegien ausgestattet. 1494 teilten Spanien und Portugal die bekannten und noch zu entdeckenden Ländereien untereinander auf.

Im Vertrag von Tordesillas wurde eine Grenze festgelegt, die 370 Seemeilen westlich der Kapverdischen Inseln liegen sollte. Alle Ländereien westlich davon sollten zu Spanien gehören; Portugal, daß bereits mehrere Handelszentren an der Westküste Afrikas besaß, bekam alle Gebiete östlich der Demarkationslinie zugesprochen. Afrika und in Südamerika Brasilien – dessen Entdeckung noch sechs Jahre, bis zum 1. April 1500 auf sich warten lassen sollte – fielen an Portugal, der Rest Amerikas wurde spanisch. Die resultierende Sprachgrenze zieht sich noch heute durch Südamerika.

Der Papst segnete diesen Vertrag. Mit kirchlicher Billigung und Segnung wurde im Vertrag von Tordesilla die bekannte und noch unbekannte Welt zum Zwecke der Ausbeutung und Unterdrückung aufgeteilt; er bildete die Grundlage für den Aufbau zweier großer Kolonialreiche. Ein Jubiläum, das in diesem Jahr unerwähnt blieb.

Auch im weiteren Verlauf der Kolonialisierung spielte der Missionsdrang der katholischen Kirche eine große Rolle. Bei der Inbesitznahme der Kolonien und der kulturellen Entwurzelung ihrer Bewohner arbeiteten kirchliche und staatliche Organe Hand in Hand. In vielen Gebieten waren die Missionare die ersten Europäer, und sie stellten mit ihren Missionskirchen den ersten Kontakt zur Bevölkerung her. Die Religion bildete die Legitimation zur Eroberung und war gleichzeitig die spirituelle Alternative, die den Bewohnern aufgezwungen werden konnte. Ohne Billigung und aktive Mithilfe durch die Kirche hätte die Kolonialisierung nicht solche Ausmaße erreichen können.

Unsere Geschichtsschreibung läßt sowohl die außereuropäische Geschichte, als auch die Schattenseiten der europäischen Geschichte unerwähnt. In unseren Geschichtsbüchern fehlen Beschreibungen des Alltags, die Darstellungen von geschichtlichen Entwicklungen, die Folgen des Kolonialismus etwa werden nur gestreift. Es wird der Eindruck erweckt, der wesentliche Teil der Weltgeschichte hätte sich in Europa abgespielt, andere Kulturen seien kaum von Bedeutung gewesen. Noch heute sehen sich Afrikaner mit der Auffasung gebildeter Europäer konfrontiert, Afrika habe doch gar keine eigene Kultur gehabt. Tatsächlich konnte das mittelalterliche A-bendland den Mauren weder wissenschaftlich noch handwerklich oder kulturell das Wasser reichen.

Gegenüber den späteren Kolonien war Europa im wesentlichen in einer Sparte im Vorteil, der Waffentechnik. Ein Vorteil allerdings, der brutal ausgenutzt wurde, und den sich die europäischstämmige Welt bis heute bewahrt hat. Ein Großteil des Planeten wurde militärisch unterworfen, die Einwohner entweder ausgerottet, versklavt oder ihrer kulturellen Wurzeln beraubt. Folgt man den Geschichtsbüchern weiter, kommt man zu dem Schluß, daß die hervorragenden Ideen europäischer Techniker uns über die Industrialisierung unseren Wohlstand beschert hätten. Tatsächlich wurde jedoch die Industrialisierung Europas im wesentlichen mit Geld aus den Kolonien finanziert. Beispielsweise wurden die ersten englischen Industrieanlagenmit Einkünften aus dem Zuckerimport aus der Karibik bezahlt. Angebaut wurde der Zucker jedoch von afrikanischen Sklaven. Gold und Silber, das Cortéz und Pizarro nach Spanien brachten, die riesigen Mengen sonstiger Bodenschätze und die Erträge der Plantagen in den Kolonien haben Europa einen immensen Kapitalstrom beschert und die Grundlage für unseren heutigen Wohlstand gebildet.

Noch heute gehören viele ertragreiche Plantagen und Minen in Ländern des Südens Konzernen aus Industrienationen. Subtile wirtschaftspolitische Vorgänge, wie etwa die Abschottung der Grenzen großer Wirtschaftsblöcke gegen Produkte aus Ländern des Südens, verhindern eine ökonomische Entwicklung, die vielen Menschen ein gesichertes Dasein bescheren könnte. In Zeiten des Kapitalüberflusses in den Industrienationen sind vielen Ländern Kredite für oft unsinnige Projekte angedient worden, deren Tilgung einen großen Teil der Deviseneinnahmen schluckt. Betrachtet man die Interessen von ehemaligen Kolonisatoren etwa bei der Vergabe von Entwicklungshilfegeldern, findet man wenig uneigennützige Motive. Über Industrieaufträge kommt das Geld meist ins Geberland zurück. Ein Teil der Gelder bleibt freilich bei korrupten Machthabern hängen.

Es entsteht der Eindruck einer unheiligen Allianz der Machthaber im Süden mit Politikern und Industriellen aus dem Norden – auf Kosten der Bevölkerung in den ehemaligen Kolonien. Immer noch beruht ein Teil unseres Wohlstandes auf dem, was aus den Kolonien kam und aus dem, was im Handel mit diesen Ländern erwirtschaftet wird. Müssen wir also Papst Alexander VI. zu Dank verpflichtet sein, für seine kolonialisierfreundliche Haltung und die Segnung des Vertrages von Tordesillas ? K. B.

„... Wir wissen, daß sie lange Zeit nach Ländern und Inseln suchten, die unbekannt und abgelegen sind, und bisher nicht von anderen gefunden wurden, um die Eingeborenen und Bewohner dazu zu bringen, den Erlöser anzubeten und sich zum katholischen Glauben zu bekennen; da Sie bisher hauptsächlich damit beschäftigt waren, das Königreich Granada zu erobern und zurückzugewinnen, war es Ihnen nicht möglich, dieser heiligen und lobenswerten Absicht nachzukommen. ...“

„... Aber letztendlich hat es dem Herrn gefallen, daß das zuvor genannte Königreich zurückgewonnen wurde; in der Hoffnung Ihre Bemühungen zu erfüllen, haben Sie unseren geliebten Sohn, Christopher Kolumbus zu diesem Zweck mit Schiffen und Männern ausgerüstet, ohne die größten Bemühungen, Ausgaben und Gefahren zu scheuen, um sorgfältig solche abgelegenen und unbekannten Länder zu suchen, in Meeren in die niemand bisher vorgestoßen ist, ...“

„... Hier wohnen viele Stämme, friedlich, und wie berichtet wurde, nackt und ohne Fleisch zu verzehren, und Eure Kuriere mutmaßten, daß diese Völker, in den genannten Ländern und Inseln, glauben, daß es nur einen Gott und Schöpfer im Himmel gibt, und scheinen ausreichend geeignet den katholischen Glauben anzunehmen und mit guten Sitten erfüllt zu werden. ...“

„... wir garantieren Ihnen und Ihren erklärten Erben und Nachfolgern, daß in den Inseln, die schon entdeckt sind und noch entdeckt werden, alle generellen und besonderen Gewährungen, Privilegien, Freiheiten, Mächte ... sollen und dürfen von Ihnen frei und legitim besessen werden ...“

Zitate aus der Bulle „Inter Caetera“ vom 3. Mai 1493, von Papst Alexander VI. an das spanische Königshaus gerichtet. Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

„... Aber letztendlich hat es dem Herrn gefallen, daß das zuvor genannte Königreich zurückgewonnen wurde; in der Hoffnung Ihre Bemühungen zu erfüllen, haben Sie unseren geliebten Sohn, Christopher Kolumbus zu diesem Zweck mit Schiffen und Männern ausgerüstet, ohne die größten Bemühungen, Ausgaben und Gefahren zu scheuen, um sorgfältig solche abgelegenen und unbekannten Länder zu suchen, in Meeren in die niemand bisher vorgestoßen ist, ...“

„... Hier wohnen viele Stämme, friedlich, und wie berichtet wurde, nackt und ohne Fleisch zu verzehren, und Eure Kuriere mutmaßten, daß diese Völker, in den genannten Ländern und Inseln, glauben, daß es nur einen Gott und Schöpfer im Himmel gibt, und scheinen ausreichend geeignet den katholischen Glauben anzunehmen und mit guten Sitten erfüllt zu werden. ...“

„... wir garantieren Ihnen und Ihren erklärten Erben und Nachfolgern, daß in den Inseln, die schon entdeckt sind und noch entdeckt werden, alle generellen und besonderen Gewährungen, Privilegien, Freiheiten, Mächte ... sollen und dürfen von Ihnen frei und legitim besessen werden ...“

Zitate aus der Bulle „Inter Caetera“ vom 3. Mai 1493, von Papst Alexander VI. an das spanische Königshaus gerichtet. Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

„... Hier wohnen viele Stämme, friedlich, und wie berichtet wurde, nackt und ohne Fleisch zu verzehren, und Eure Kuriere mutmaßten, daß diese Völker, in den genannten Ländern und Inseln, glauben, daß es nur einen Gott und Schöpfer im Himmel gibt, und scheinen ausreichend geeignet den katholischen Glauben anzunehmen und mit guten Sitten erfüllt zu werden. ...“

„... wir garantieren Ihnen und Ihren erklärten Erben und Nachfolgern, daß in den Inseln, die schon entdeckt sind und noch entdeckt werden, alle generellen und besonderen Gewährungen, Privilegien, Freiheiten, Mächte ... sollen und dürfen von Ihnen frei und legitim besessen werden ...“

Zitate aus der Bulle „Inter Caetera“ vom 3. Mai 1493, von Papst Alexander VI. an das spanische Königshaus gerichtet. Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

„... wir garantieren Ihnen und Ihren erklärten Erben und Nachfolgern, daß in den Inseln, die schon entdeckt sind und noch entdeckt werden, alle generellen und besonderen Gewährungen, Privilegien, Freiheiten, Mächte ... sollen und dürfen von Ihnen frei und legitim besessen werden ...“

Zitate aus der Bulle „Inter Caetera“ vom 3. Mai 1493, von Papst Alexander VI. an das spanische Königshaus gerichtet.

„... Neben Aufgaben, die der göttlichen Majestät angenehm sind, und die unserem Herzen nach wünschenswert sind, ist es sicherlich am wichtigsten, daß der katholische Glaube und die christliche Religion, besonders in diesen Zeiten, überall gepriesen und ausgebreitet wird, und daß für die Erlösung der Seelen gesorgt wird, und daß barbarische Völker unterjocht und zum einzig wahren Glauben gebracht werden. ...“

„... Wir wissen, daß sie lange Zeit nach Ländern und Inseln suchten, die unbekannt und abgelegen sind, und bisher nicht von anderen gefunden wurden, um die Eingeborenen und Bewohner dazu zu bringen, den Erlöser anzubeten und sich zum katholischen Glauben zu bekennen; da Sie bisher hauptsächlich damit beschäftigt waren, das Königreich Granada zu erobern und zurüchzugewinnen, war es Ihnen nicht möglich, dieser heiligen und lobenswerten Absicht nachzukommen. ...“

„... Aber letztendlich hat es dem Herrn gefallen, daß das zuvor genannte Königreich zurückgewonnen wurde; in der Hoffnung Ihre Bemühungen zu erfüllen, haben Sie unseren geliebten Sohn, Christopher Kolumbus zu diesem Zweck mit Schiffen und Männern ausgerüstet, ohne die größten Bemühungen, Ausgaben und Gefahren zu scheuen, um sorgfältig solche abgelegenen und unbekannten Länder zu suchen, in Meeren in die niemand bisher vorgestoßen ist, ...“

„... Hier wohnen viele Stämme, friedlich, und wie berichtet wurde, nackt und ohne Fleisch zu verzehren, und Eure Kuriere mutmaßten, daß diese Völker, in den genannten Ländern und Inseln, glauben, daß es nur einen Gott und Schöpfer im Himmel gibt, und scheinen ausreichend geeignet den katholischen Glauben anzunehmen und mit guten Sitten erfüllt zu werden. ...“

„... wir garantieren Ihnen und Ihren erklärten Erben und Nachfolgern, daß in den Inseln, die schon entdeckt sind und noch entdeckt werden, alle generellen und besonderen Gewährungen, Privilegien, Freiheiten, Mächte ... sollen und dürfen von Ihnen frei und legitim besessen werden ...“

Zitate aus der Bulle „Inter Caetera“ vom 3. Mai 1493, von Papst Alexander VI. an das spanische Königshaus gerichtet. Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

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