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Der letzte macht das Licht aus

■ Kein Klönschnack mit Kartoffelsalat mehr: Dem HDW-Arbeitslosenzentrum Thedestraße wurde die letzte ABM-Stelle gestrichen Von Kaija Kutter

Das „HDW und Metaller Arbeitslosenzentrum“, das 1983 aus der legendären Besetzung der Howaldt-Werft hervorgegangen war, steht vor dem Aus. Am 19. Dezember, kurz vor Weihnachten, teilte eine Behördenvertreterin mit, daß die ABM-Stelle des letzten Mitarbeiters nicht mehr verlängert würde. Auch für die zwei verbliebenen „LKZ-Stellen“ für ältere Arbeitslose, die in der Werkstatt des Zentrums arbeiten, sehe es schlecht aus.

„Irgendeinen Festen muß es hier geben, sonst existiert der Laden nicht mehr“, sagt Hans-Georg Morgenstern (47), der die ABM-Stelle bis zuletzt inne hatte. Er vermutet inhaltliche Gründe für die überraschende Entscheidung des Arbeitsamts-Verwaltungsrats, der das letzte Wort bei der ABM-Vergabe hat. „Wahrscheinlich passen Arbeitsloseninitiativen politisch nicht mehr in die Landschaft, weil sie zu gefährlich werden“.

Dabei würde das Zentrum in der Altonaer Thedestraße auch elf Jahre nach der Gründung immer noch rege genutzt. 50 bis 60 Besucher kämen in der Woche, teils „politisierte Arbeitslose“, teil aber auch Ratsuchende oder solche, die Gespräch und Zuspruch brauchen. Jeden Dienstag gibt es in der Thedestraße ein Arbeitslosenfrühstück, jeden Donnerstag den „politischen Klönschnack“ mit Kartoffelsalat und Würstchen. Es sei sogar sogar noch voller als früher, „weil wir die versprengten Jobber-Inis aufgenommen haben, die über keinen eignen Treff mehr verfügen“, sagt Morgenstern.

Malen, Töpfern, Tiffany-Lampen basteln, die Thedestraße ist auch eine Art „Altenbegegnungsstätte“ für Arbeitslose. An den Wänden hängen Fotos von „damals“, als 1500 Werftsarbeiter die HDW-Tore verschlossen und ihren Betrieb besetzten. Immer mal wieder, so Morgenstern, schauten auch Ex-HDWler, die längst außerhalb Hamburgs wohnen, vorbei. „Der Bedarf für dieses Zentrum besteht zweifellos“.

Nur, mit der Personalausstattung ging es in den letzten Jahren rapide bergab. Kernstück des Zentrums ist die Werkstatt, in der ältere Arbeitslose kleinere Glas-, Metall- und Holzarbeiten verrichten. Hier gibt es noch einen Leiter auf einer der gefährdeten LKZ-Stellen. Cafeteria, Fotolabor und die Schreibtische im Büro sind jedoch verwaist.

Bewilligte das Arbeitsamt 1989 üppige sieben Stellen, so bleibt zuletzt nur noch die Stelle des Öffentlichkeitsarbeiters nach. Public-Relation sei gerade aus der Sicht der betroffenen Arbeitslosen wichtig, da so gut wie nicht vorhanden, beschwört der gelernte Schiffsbauer Morgenstern. Da für ihn allein zuviel Arbeit anfiel, habe er sich zu wenig darum gekümmert und „Mädchen für alles gespielt“. Am meisten Zeit sei in die Beratung von Menschen eingeflossen, die außerhalb der Arbeitsamtsatmosphäre Tips brauchen.

Doch eben diese ungenaue Stellenbeschreibung wurde für das Zentrum jetzt zum Verhängnis. Denn obwohl Sozialbehörde und Arbeitsamt die Verlängerung befürworteten, wurde sie vom Verwaltungsausschuß, der aus Behörden-, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besteht, gekippt. Pikant: der Ausschußvorsitzende ist DGB-Chef Erhard Pumm. Das DGB-eigene Arbeitslosenzentrum am Besenbinderhof ist laut Morgenstern auch heute noch üppig mit ABM-Stellen versorgt.

„Der Ausschuß war der Meinung, daß der HDW-Treff nicht noch extra einen Öffentlichkeitssachbearbeiter braucht“, sagt Arbeitsamtssprecher Manfred Klostermann. Bei den wenigen 2500 ABM-Stellen, die Hamburg noch hat, müsse man streng die Notwendigkeit prüfen. Auch für die LKZ-Stellen gebe es „große Schwierigkeiten“, da 1995 kein Geld aus Nürnberg komme.

Diese beiden Maßnahmen laufen zwar bis April 1996 beziehungsweise Februar 2000, müssen dennoch jährlich neu bewilligt werden – vom Bund und von der Stadt Hamburg, die die Finanzierung ergänzt. „Von unserer Seite gibt es da keine Schwierigkeiten“, sagt Sozialbehördensprecherin Christina Baumeister. „Ich rechne damit, daß hier der letzte im April das Licht ausmacht“, befürchtet dagegen Ex-Öffentlichkeitsreferent Morgenstern. Denn ohne ABM auch keine Behörde, die die Miete zahlt: „Dann können wir uns beim Woodpecker im Hinterzimmer treffen“.

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