: Kultur, Kapital, Kirche
■ Kultursenator stellte neues Sponsoring-Projekt vor
Nicht nur, daß uns die Molkerei morgens im Radio nach einem freundlichen „Guten Morgen“ den Stauhinweis liefert. Oder der spannende Fernsehkrimi von einer Werbung für Waschmaschinenpulver unterbrochen wird. Nein, auch beim Theaterbesuch soll uns in Kürze ein Vorprogramm eigener Art geliefert werden.
Im Maxim-Gorki-Theater könnte das so aussehen: Wenn wir unser Plätzchen gefunden haben, wird ein Mann vor den Vorhang treten. Der Mann wird uns herzlich willkommen heißen. Und dann wird er sagen: „Meine Damen und Herren, heute abend spielt Harald Juhnke nicht nur für Sie. Heute abend spielt er für die Immobilienfirma in der Berliner Soundso- Straße.“ Möglicherweise wird sich der Firmenboß in der ersten Reihe kurz erheben und uns lächelnd zuzwinkern. Und spätestens dann wird uns klar werden, daß der Stempel in unserem Programmheft, auf der Eintrittskarte, auf den Plakaten im Foyer und den Servietten im Café nichts anderes ist als das Firmenlogo der Immobilienmenschen. 50.000 Mark werden diese berappen. Dafür tragen sie den hübschen Titel „Exklusivpartner des Maxim-Gorki-Theaters“. Wer nicht ganz soviel hinblättern kann oder will, wird Hauptsponsor (25.000 Mark) oder nur Sponsor (10.000 Mark).
Diese Vision geht auf ein Modell zurück, das gestern in der Friedrichwerderschen Kirche von einer namhaften Bauentwicklungsgesellschaft vorgeführt wurde. Die Gäste: erlesene Wirtschaftsvertreter, Kultursenator Roloff-Momin und ein paar JournalistInnen. Diverse KünstlerInnen zeigten Auszüge aus ihren Projekten: Tanz, Theater und Zeitklänge sowie ein Kurzfilmprojekt. Die Baufirma wollte ihre angereisten Geschäftspartner dazu ermuntern, Geld in das ein oder andere Programm zu stecken. Als Kontakter zwischen KünstlerInnen und KapitalistInnen zogen vornehm gekleidete StudentInnen des Instituts für Kultur- und Medienmanagement der Hanns-Eisler- Schule durch die Kirche. Firmen können das gesponserte Geld steuerlich absetzen. Vom Kultursenat erhalten sie eine Quittung.
Natürlich möchten die Banken, Versicherungen, Architekten- und Maklerbüros inhaltlich keinen Einfluß nehmen. Die künstlerische Freiheit soll gewahrt bleiben. Zumindest wurde das vor dem Altar an jeder Ecke hochheilig beteuert. Keine Antwort auf die Frage, ob es letztlich nicht nur Schadensbegrenzung ist, wenn Bauentwicklungsgesellschaften Sponsoring betreiben. Machen sie nicht gleichzeitig der Subkultur durch Mammutprojekte die Räume streitig?
„Die Firmen“, sagte Kultursenatssprecher Rainer E. Klemke, „haben das Recht, ein Projekt zu finanzieren oder nicht zu finanzieren.“ Für jedes Unternehmen lasse sich ein Kulturpaket finden. Maßgeschneidert sozusagen: schrill, konservativ, abstrakt oder gegenständlich. Zu der neuen Sponsoring-Börse gehören Kinder- Workshops, Neue Musik und bildende Kunst, wie derzeit etwa die „Schönen Aussichten“ auf dem U-Bahnhof Alexanderplatz.
Außerdem plane der Senat, leerstehende Firmengelände für Kulturprojekte auf Zeit zu mieten. „Nicht nur die Liebe zur Kunst“ sei ein Grund fürs Sponsoring, gab Roloff-Momin den Firmenvertretern zu bedenken, es gehe auch „um das Profil ihres Hauses“. Über Kultur lasse sich ein „zahlungskräftiges und meinungsbildendes Publikum“ erreichen.
Oliver Kranz, Kulturmakler in spe vom Institut für Kultur- und Medienmanagement, sagte: „Den Firmen fällt es leichter, Geld für Unterhaltungskultur zu geben.“ Publikumswirksam muß sie also sein. Das Maxim-Gorki-Theater geht offenbar jetzt ganz diesen Weg und wird demnächst „Der Hauptmann von Köpenick“ aufführen. Harald Juhnke in der Hauptrolle und Regisseurin Katharina Thalbach sollen Sponsoren ködern. Und das könnte klappen. Die Damen und Herren zeigten sich bei Sekt und Campari-Orange jedenfalls äußerst interessiert.
„Das sind keine Peanuts hier“, sagte eine Kollegin. Recht hatte sie. Selbst in der Kirche gingen die Geschäfte weiter. Bei einem Herrn piepte es im Brustbereich. Er zog sein Handy aus dem Anzug und gab wichtige Anweisungen. Vielleicht war's der erste Erfolg der Neujahrs-Kultur-Sponsoring-Exklusiv-Umtrunks-Party. Der erste „Exklusivpartner“? Tomas Niederberghaus
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